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John Singleton bei der Oscar-Gala 2018. Der Regisseur und Produzent starb am Montag in Los Angeles.

© imago images / UPI Photo

Bruder, Wegbereiter, Star des Black Cinema: John Singleton hatte sich dem größtmöglichen Realismus verschrieben

Für "Boyz n the Hood" erhielt er als erster schwarzer Regisseur eine Oscar-Nominierung, und das "New Black Cinema" hat er maßgeblich geprägt. Ein Nachruf auf den Filmemacher John Singleton.

Zu Beginn des Trailers steht eine Warnung: Dieser Film enthält Kraftausdrücke, Gewalt, Nacktheit. Wenn „Boyz n the Hood“, vorgestellt 1991 auf dem Filmfest in Cannes, eine Botschaft hatte, dann die, dass die Härte des Geschehens diesmal nichts mit Kino zu tun hatte, nicht mit den Genreregeln des Gangsterfilms, sondern mit der Selbstverpflichtung des Regisseurs zu größtmöglichem Realismus.

John Singleton hatte niemand auf dem Schirm. Das schwarze Kino, das junge, selbstbewusste New Black Cinema wurde von Spike Lee verkörpert, der gerade mit „She’s Gotta Have It“ und „Do The Right Thing“ neue Töne angeschlagen hatte. Der 23-jährige Singleton hatte von den Columbia Studios acht Millionen Dollar erhalten, er drehte seinen L.A.-Ghettofilm an authentischen Plätzen in South Central, hier war er selbst aufgewachsen. Er heuerte Gangmitglieder als Berater an und engagierte jede Menge unbekannte Schauspieler und Rapper, die zu Stars werden sollten, von Ice Cube über Laurence Fishburne bis zu Angela Bassett.

Die Geschichte des von Cuba Gooding jr. gespielten Jungen Tré, der in einer Nachbarschaft voller Schießereien, Drogen und Bandenfehden aufwächst und bei dem Versuch, „sauber“ zu bleiben, zusehen muss, wie sein bester Freund erschossen wird, um der Gewaltspirale am Ende doch knapp zu entkommen, spielte fast 60 Millionen Dollar ein.

Singleton erhielt als erster schwarzer (und als jüngster) Regisseur in der Geschichte des Oscars eine Nominierung für die beste Regie. Und eine fürs Drehbuch dazu. „Jeder 21. Schwarze in den USA wird ermordet“, heißt es im Film. „Die meisten davon durch andere Schwarze“.

Mit dem Erfolg von „Boyz n the Hood“ war klar, dass es in der us-amerikanischen Filmindustrie einen Markt von Schwarzen für Schwarze gibt und dass die Subkultur des Ghettos und der Mainstream keine auf immer getrennten Welten sein müssen. Singleton führte weiter Regie, wenn auch weniger erfolgreich, in „Poetic Justice“, „Atemlos – Gefährliche Wahrheit“ oder dem Actionkrimi „Vier Brüder“. Sein größter Box-Office-Hit wurde das Sequel „2 Fast 2 Furious 2“ im Jahr 2003. Auch als unabhängiger Produzent war er tätig: 2005 realisierte er mit drei Millionen Dollar aus der eigenen Tasche den Hip-Hop-Film „Hustle & Flow“ über einen Zuhälter, der eine Rapper-Karriere anstrebt.

Die Frage des Rassismus im US-Kino ist immer noch virulent

Viele glaubten, der Sozialrealismus von „Boyz n the Hood“ würde eine Wende markieren: die Hinwendung der Unterhaltungsindustrie zum schwarzen Publikum und die ungeschönte Wahrnehmung des Rassismus in Amerika und des Alltags in schwarzen Vierteln wie South Central. Trotz der Gefahr, dass die Leinwand-Stereotypen von schwarzen Gangstern und Dealern sich wiederholten, etwa in Singletons „Shaft“-Remake mit Samuel L. Jackson (2000). Heute ist klar, dass mit den Blaxploitation-Filmen der siebziger und dem New Black Cinema der neunziger Jahre, ja selbst mit den Darsteller-Oscars für Jamie Foxx und Morgan Freeman 2005 keineswegs ein Durchbruch erzielt war.

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Die filmische Repräsentation der people of colour lässt bekanntlich bis heute zu wünschen übrig. „OscarsSoWhite“, die Protestkampagne gegen die Oscar-Dominanz älterer weißer Männer, ist gerade mal drei Jahre alt. Steve McQueen für „12 Years A Slave“ 2013, Barry Jenkins für „Moonlight“ 2017, das sind zwei Bester-Film-Oscars für schwarze Regisseure in über 90 Jahren. Wie viele Black Cinema-Renaissancen muss es noch geben, bis die farbliche Unterscheidung des einen und des anderen Kinos sich erledigt hat?

Spike Lee kondolierte seinem "Bruder" auf Instagram

John Singletons Karriere als Hollywood-Filmemacher stagnierte jedenfalls. Er drehte zuletzt Dokumentarfilme und arbeitete als Autor, Regisseur und Produzent vor allem fürs Fernsehen, seit 2017 für die Serie „Snowfall“.

Am Montag ist John Singleton mit nur 51 Jahren in Los Angeles gestorben. Er lag nach einem schweren Schlaganfall im Krankenhaus im Koma; seine Angehörigen ließen schweren Herzens die lebenserhaltenden Maßnahmen stoppen. Er sei friedlich entschlafen, sagte die Familie. „Ruhe in Frieden, mein Freund“, schrieb Halle Berry auf Twitter. „Er hat vielen jungen Filmemachern den Weg bereitet“, erinnerte Samuel L. Jackson. Spike Lee kondolierte auf Instagram: „Wir sind uns immer nahe geblieben in all den Jahren und haben uns angespornt in dieser Industrie, die nicht dafür gemacht ist, dass wir gewinnen“. Er werde seinen Bruder immer vermissen.

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