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Wie im Western: Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski) betrachten ihr Land vom Rücken ihrer Pferde.

© Kinostar

„Bruder Schwester Herz“ im Kino: Ein Cowgirl kriegt den Blues

Das Leben, ein Ponyhof: Tom Sommerlattes Familienkomödie „Bruder Schwester Herz“ feiert die Landlust.

Von Andreas Busche

Das deutsche Kino hat zuletzt den Western als Spielwiese für Konflikte der Gegenwart entdeckt. Von den klassischen Genre-Topoi ist in Filmen wie „Western“ von Valeska Grisebach oder Katrin Gebbes „Pelikanblut“, anders als etwa im Alpenwestern „Das finstere Tal“ oder der Hunsrück-Familiensaga „Die andere Heimat“, jedoch nicht viel übrig: Grisebach verschiebt ihre Geschichte mitsamt archetypischem Männerpersonal an den östlichsten Rand der EU, Gebbe sucht den reizvollen Crossover zum matriarchalischen Exorzismus-Horror.

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Tom Sommerlatte, der neben Axel Ranisch wichtigste Vertreter des „German Mumblecore“, zog es schon mit seinem Debüt „Im Sommer wohnt er unten“ in die Natur, vier Jahre später hat er in seinem zweiten Film „Bruder Schwester Herz“ das bildungsbürgerliche Großstadtmilieu ganz hinter sich gelassen.

Die Geschwister Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski) kümmern sich in der deutschen Provinz um die Rinderzucht ihres kranken Vaters (Wolfgang Packhäuser), haben aber sehr gegensätzliche Vorstellungen davon, wie sie den Hof retten können.

Wirklich Aufregendes passiert in ihrem Dorf nicht, was der rastlosen Lilly mehr zu schaffen macht als ihrem tranigen Bruder. Sie versucht vergeblich, den Betrieb auf nachhaltige Landwirtschaft umzustellen, er verbringt seine Nächte lieber in der einzigen Kneipe des Ortes.

An diesem Widerspruch beginnt die innige Beziehung der Geschwister zu zerbrechen. Zum Einschlafen kuscheln sie sich zwar zusammen, aber die Gespräche über die Zukunft des elterlichen Hofs (die Mutter hat sich buchstäblich aus dem Staub gemacht, taucht gelegentlich aber noch mit ihrem neuen Freund auf der Bildfläche auf) enden immer öfter im Streit.

Dialoge mit Improv-Nonchalance

Als der Musiker Chris (Godehard Giese als skurriler Yoga-Beatnik) mit seiner Band auf dem jährlichen Dorffest spielt, ergreift Lilly die Gelegenheit und lässt Franz mit der schroffen Hausangestellten Sophie (Jenni Schily) zurück.

„Bruder Schwester Herz“ ein Drama zu nennen, wäre etwas zu viel des Guten. Sommerlatte interessiert sich mehr für die kleinen Verschiebungen in der Beziehung zwischen Lilly und Franz – aufgemischt durch die erratische, großartig enervierende Präsenz von Giese und Schily.

Das Western-Setting verleiht dem Geschwisterkonflikt bescheidene visuelle Qualitäten – mehr ist auch gar nicht nötig, um den beiläufigen Dialogen, die haarscharf an der Improv-Nonchalance entlangschrammen, räumliche Entfaltung zu bieten.

Fräsdorf und Hanczewski beim abendlichen Ausritt ist natürlich eine so ikonische wie kokette Einstellung – Sommerlatte käme nie auf die Idee, dem Publikum die deutsche Provinz als archaische Landschaft unterzujubeln.

Der Film hält die unterschwelligen Eifersüchteleien zwischen den amourösen Geschwistern mit nachsichtigem Blick in der Schwebe. Sommerlatte trifft damit einen leichten Ton, der sich wohltuend vom verkrampften Witz deutscher Beziehungskomödien abhebt.
In den Berliner Kinos Filmkunst 66, Moviemento, Sputnik

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