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Trickser. Brian Burton und James Mercer sind die Broken Bells.

© Sony

Broken Bells: Die Illusionsmaschine hebt ab

Entspannt: Das amerikanische Pop-Duo Broken Bells und sein zweites Album „After The Disco“.

Im Sommer 2004 sahen Brian Joseph Burton und James Mercer zusammen die Sonne aufgehen. Sie warteten in Kopenhagen auf einen Zug, der sie nach Roskilde bringen sollte. Hinter ihnen lag eine lange Nacht in der dänischen Hauptstadt, vor ihnen mehr als nur der Weg zurück zum Festivalgelände, wo Mercer mit der Band The Shins aufgetreten war und Brian Burton als DJ Danger Mouse. Aus der Begegnung beim Roskilde Festival wurde das gemeinsame Projekt Broken Bells.

Zehn Jahre später – James Mercer hatte mit seiner Indierockband Erfolg, Danger Mouse mit dem R’n’B-Duo Gnarls Barkley und als Produzent – bringen die beiden diese Post-Partystimmung mit einem neuen Album auf den Punkt. Zu einem Beat, der auch auf das letzte Arcade-Fire-Album gepasst hätte, steuern sie im Titelsong „After The Disco“ auf die nächstbeste Sitzgelegenheit zu.

Doch so viele Jahre nach dem ersten gemeinsamen Kater geht es um mehr als Kopfschmerzen und Nachdurst. „Wenn der Spaß vorbei ist, kehrst du zurück in die andere Wirklichkeit. Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich mir über das, was in den nächsten 30, 40 Jahren kommt, Gedanken mache“, sinniert der 36-jährige Burton über sein unstetes Leben als Produzent und Songschreiber. Es sind die Erfahrungen seiner vielen und meist nicht sehr festen Beziehungen, aus dem der Stoff des zweiten Broken-Bells- Albums gemacht ist. Der sieben Jahre ältere Familienvater Mercer erzählt davon mit schamlos hohem Gesang, der an die Bee Gees denken lässt, und fällt dann sanft in das Achtziger-Jahre-Synthie-Bett von Danger Mouse.

Hätten sich die beiden ganz schlicht an ein Piano gesetzt, es wäre ein Album mit Herzschmerz-Balladen geworden. Doch die Illusionen der Nacht wirken noch nach. Sie werden mit Überschriften wie „Perfect World“ oder „Holding On For Life“ am Leben gehalten und von lockeren Grooves, vielschichtigen Gesängen, ja, sogar einem unbeschwerten Pfeifen befeuert. Das Album „After The Disco“ nimmt immer wieder überraschende Wendungen: Man muss an den Soundkitsch aus Achtzigerjahre-US-Serien wie „Miami Vice“ und die Leichtigkeit des französischen Elektro-Duos Air denken. Allenfalls der ein oder andere The-Cure-Moment lässt ahnen, in welcher Stimmung die Geschichten entstanden sind.

Burton und Mercer trieben sich gegenseitig an

Am schönsten kommt der Kontrast in dem Stück „Leave It Alone“ zum Tragen. „Ich habe dich aus dem Feuer geholt, doch dann hast du mich niedergestreckt“, singt James Mercer zunächst allein zu akustischen Gitarren. Dann wird dank vielfacher Überlagerungen aus seiner Stimme ein großer Gospelchor: die perfekte Illusion des gemeinschaftlichen Singens.

Wer solche Trickmomente voreilig Danger Mouse zuschreibt, wird von ihm sofort ausgebremst: „Broken Bells ist das Projekt zweier Künstler, ich bin nicht derjenige, der James dirigiert und ihm dabei einen Sound verpasst. Wir haben uns gegenseitig nichts geschenkt. James hat mir ganz neue Dinge am Schlagzeug abverlangt. Und ich habe ihn zu neuen Höhen getrieben“, sagt er im Gespräch. Mercer kann das nur bestätigen: „Brians Qualität liegt darin, andere zu öffnen. Für das, was in ihnen schlummert.“ Ein sehr überschaubares Rezept, wenn man bedenkt, wie die Erfolgskurve von Danger Mouse, auf der auch fünf Grammy-Trophäen zu finden sind, in den letzten Jahren immer weiter nach oben gezeigt hat.

Im Duett mit Cee-Lo Green hat Danger Mouse das moderne R’n’B-Projekt Gnarls Barkley an die Spitzen der Charts geführt, an der Seite von Damon Albarn den Gorillaz neuen Schwung und der Supergroup The Good, The Bad and The Queen den großen Atem gegeben. Der Rockinnovation von den Black Keys hätte ohne sein Zutun der Hip-Hop-Puls gefehlt und schließlich hat Norah Jones unter seinen Fittichen einen völlig neuen Klang bekommen.

Doch Brian Burton hält sich nicht für einen Zauberer: „Versuche nie, etwas Großes aus einer Sache zu machen, die diese Größe nicht hat! Du kannst jedem Künstler nur helfen, ein bisschen besser zu werden.“ Norah Jones habe sehr genau gewusst, was sie wollte, fügt Burton noch hinzu. Vielleicht auch um die Erwartungen an das kommende U2-Album, an dem er seit 2010 arbeitet und über das er natürlich kein Wort verliert, etwas zu dämpfen.

Wenn Danger Mouse sich gern mit Filmregisseuren vergleicht, dann weniger, weil er sich wünscht, am Set alle herumzukommandieren, sondern weil er die Illusionsmaschine liebt und beim Produzieren weder an einzelne Sounds noch Songs, sondern in großformatigen Bildern denkt. Die Videos zum neuen Broken Bells-Album sind denn auch in seiner Regie entstanden. Sie erzählen von einem jungen Mann, der sich in die Welt eines Science Fiction-Films der fünfziger oder sechziger Jahre hinein träumt. Die Hauptrolle spielt der junge Star Trek-Schauspieler Anton Yelchin. Mercer und Burton treten als seine Gehilfen in Erscheinung. Schließlich kennen sie sich gut aus mit den Fluchtmöglichkeiten einsamer junger Männer: Werde Sänger einer Indierockband oder der gefragteste Produzent deiner Generation. Und wenn sich eure Wege eines Tages kreuzen – zum Beispiel in Dänemark –, dann biegt zusammen noch mal in eine neue Richtung ab.

„After The Disco“ erscheint bei Columbia. Konzert: 30.3., Postbahnhof Berlin

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