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Bröhan-Museum zeigt Retrospektive: George Grosz, Dadaist mit spitzem Stift

Er begann mit schönlinigen Jugendstil, schrieb expressive Gedichte und wurde Pionier der Pop-Art. Das Bröhan-Museum widmet Georg Grosz eine umfassende Schau.

Am Ende steht er da wie ein Pionier der Pop-Art. In seiner letzten großen Werkserie zerschnippelte und collagierte George Grosz die amerikanische Konsumwelt, in der er seit 25 Jahren lebte. Adrette Blondinen lächeln ihr Hochglanzlächeln, aber der Fotomonteur knallt ihnen einen Riesenbatzen blutiger Fleischmassen auf die weiße Tischdecke. In bester Dada-Manier schwelgte der Künstler 1957 noch einmal im knallbunten Fundus der US-Illustrierten. Sich selbst zeigt Grosz als vollbusiges Pin-up-Girl mit Clownsvisage vor der Skyline New Yorks. Die furiose Gendertravestie war sein sarkastischer Abschiedsgruß an das Land, das seinen amerikanischen Traum zerplatzen ließ wie eine Seifenblase.

Glücklich geworden war George Grosz in Amerika nicht. Zurück nach Berlin wollte er aber eigentlich auch nicht, wie Ralph Jentsch, der Managing Director des George Grosz Estate, betont. Viel lieber hätte der Künstler seinen Lebensabend in Frankreich verbracht, wo er schon in den 1920er Jahren für seinen Galeristen Flechtheim und dessen hochvermögende Kundschaft sanfte Strandstillleben gepinselt hatte. Aber schlussendlich starb Grosz in Berlin, kurz vor seinem 66. Geburtstag. Und hier gehört er hin, meint Ralph Jentsch. Er hat als Gastkurator jetzt eine Retrospektive im Bröhan-Museum mit auf die Beine gestellt, um seine Idee eines Grosz-Museums in Berlin publik zu machen.

Politische Wut und aufblitzende Zärtlichkeit

Das gesamte vielfältige und ambivalente Werk wird da im chronologischen Durchgang mit 200 Werken meist auf Papier ausgebreitet. Toll sind schon allein die großen, wichtigen Mappenwerke, Blatt für Blatt vollzählig. Das hat Krimi- und Comicqualitäten, zumal einem manche Spießer-, Militär- und Gaunertypen zurzeit in der TV-Serie „Babylon Berlin“ wiederbegegnen. Die politische Wut und das Aggressionspotenzial von Grosz, die unvermutet aufblitzende Zärtlichkeit, die Schärfe seiner Konturen und seine sexualisierten Frauenbilder, die immer auch Bilder der Macht sind – das kennt man und kennt es doch nicht. Gerade die Papierarbeiten können wegen ihrer Empfindlichkeit ja nicht dauerhaft ausgestellt werden. Dass der in Berlin-Mitte als Gastwirtssohn geborene Grosz seine Künstlerkarriere mit schönlinigen Jugendstilszenen begann, ist weniger bekannt und bildet einen feinen Konnex zum Ausstellungsort Bröhan-Museum.

Hauptleihgeber ist der George Grosz Estate, mit Sitz in Princeton. Er bewahrt 30 Gemälde überwiegend aus dem Spätwerk auf sowie 2000 Arbeiten auf Papier. Das wäre der Grundstock für ein Grosz-Museum. Weder eine Immobilie noch ein Finanzier sind derzeit in Sicht, aber nächstes Jahr soll immerhin ein Freundeskreis gegründet werden. Diverse Berliner Privatsammler und Galeristen sind schon jetzt als Leihgeber mit an Bord. Nur punktuell leistet auch die Akademie aus ihrem reichen Grosz-Bestand Schützenhilfe. Genug Stoff ist also da, inhaltlich sowieso.

Der Melancholiker als liebevoller Vater

George Grosz hat als Dadaist expressive Gedichte zum Banjo vorgetragen und mit Tanzeinlagen gewürzt. Er hat für Piscator bewegliche Bühnenprojektionen entworfen und Marionetten für eine böse Orestie-Parodie gestaltet. Er hat sich, bereits auf der Überfahrt nach Amerika, eine Fotokamera geschnappt, um das Bordleben und dann auch die Straßen New Yorks abzulichten. Seinen kleinen Söhnen, die erst etwas später nachreisten, machte er die abenteuerliche Schiffspassage mit einem bunten Bilderbrief schmackhaft. Darauf schwimmen Wale, Schwertfische und Dampfer. Und die kleinen Fischkinder blieben immer brav bei der Mama. Ein liebevoller Vater war er also auch noch, der bissige, böse, provokante und melancholische George Grosz.

Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, bis 6. 1.; Di–So 10–18 Uhr

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