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Brian Wilson in Berlin

© imago/Future Image

Brian Wilson im Admiralspalast: Der letzte Überlebende

Er ist noch da: Ex-Beach Boy Brian Wilson gibt ein Konzert im Admiralspalast - und hält durch, bis zum bewegenden Ende.

Ein kleines Sakrileg hilft, die Lage zu klären. Was also, wenn Mozart nicht mit 35 Jahren gestorben, sondern im Konzert- und Kompositionsgeschäft geblieben wäre, ein gealterter Star? Wenn er mit Mitte Siebzig, nach endlosen privaten und professionellen Tiefschlägen, auf der Bühne am Klavier gesessen hätte, mit seinen großen Hits, gefeiert von einem auch nicht mehr so jungen Publikum, dass ihm in Dankbarkeit und Rührung zujubelt, weil er noch da ist, wieder da ist?
So hat es sich im Grunde zugetragen beim Konzert von Brian Wilson im Berliner Admiralspalast. Der 76-Jährige, der sich kürzlich noch einer Rückenoperation unterziehen musste, hält sich mit starkem Willen und Würde auf seinem Platz hinter dem Piano in der Bühnenmitte, er singt die Lieder an, die andere aus seiner elfköpfigen Band dann zuende bringen. Sie sind für ihn da: Al Jardine, auch er ein Gründungsmitglied der Beach Boys, Blondie Chaplin, der in den Siebzigern mit den Beach Boys unterwegs war und danach mit den Rolling Stones und all die jüngeren Musiker, die sich mehr oder weniger tief in die Surfwellen und Pop-Höhen der Sechzigerjahre hineinspielen. Damals schon hatte Brian Wilson schwere psychische Probleme. Exzesse mit Drogen und Medikamenten, missbräuchliche Fürsorge, Fettsucht: Er wirkte wie ein Hiob der Westküste.
Nach juristischen Schlachten tritt Brian Wilson, der die Band mit seinem Genie antrieb, nicht mehr mit dem Namen Beach Boys auf. Den trägt Cousin Mike Love vor sich her, auch er ein Beach Boy der ersten Stunde. Mike Love & Co. lieferten im vergangenen Sommer auf der Zitadelle Spandau ein übergut gelauntes Potpourri ab. Auch der letzte Überlebende der Wilson-Brüder – Carl und Dennis starben bereits vor längerer Zeit – legt ab mit „California Girls“, „I Get Around“ und „Surfer Girl“. Das Publikum steht die meiste Zeit, klatscht mit, und Wilson hält durch. Bis zum bewegenden Ende.

Raffinierter kammermusikalischer Klang und sinfonische Breite

Den Abend widmet er Aretha Franklin. Das trägt bei zu der leicht morbiden, aber auch wieder feierlichen Atmosphäre. Schnell nacheinander, mit wenigen knappen Ansagen, laufen die Tracks der „Pet Sounds“ durch, von jenem Album anno 1966, das Brian Wilson und den Beach Boys einen olympischen Platz in der Nähe der Beatles brachte. Allzu viel können sie hier nicht reproduzieren von dem feinen, raffinierten, oft kammermusikalischen Klang, der unvermittelt in sinfonische Breite umschlägt. „Sloop John B.“ wirkt nach einigen Mühen befreiend.
Dann schließt sich der Vorhang. Und öffnet sich gleich wieder für die Zugaben, die Hits für den Nachhauseweg. „Rhonda“, „Barbara Ann“, „Surfin’ USA“ und „Fun, Fun, Fun“. Was ist aus den Beach Boys, aus den USA geworden! Die Vibrations sind nicht mehr gut. Es hat Stil und Sinnhaftigkeit, wenn Brian Wilson zum Ausklang „Love and Mercy“ singt. Es ist das einzige Lied, das er durchzieht mit brüchiger Stimme. Wer sonst hat solche wunderbaren, engelszarten Songs geschrieben: „God Only Knows“. Wenn es Gott gibt, hat er Brian Wilson aufs Härteste geprüft.

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