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Vaterfigur. Rocky (Sylvester Stallone) glaubt nicht, dass sein Schützling Donnie (Michael B. Jordan) eine Chance hat.

© Warner

Boxerfilm „Creed 2“ im Kino: Punch in Zeitlupe

Die „Rocky“-Saga muss ewig weitergehen: Michael B. Jordan und Sylvester Stallone im Boxerfilm „Creed 2“.

Von Andreas Busche

Jeder Held begründet seine eigene Legende. Auch Kino-Franchises fahren selten gut damit, allein von ihrer Vergangenheit zu zehren. Das Vermächtnis wiegt oft schwerer als ein Neustart. Denn die Erzählung muss immer weitergehen, die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern mit ihrer eigenen Geschichte. Denn es geht bei Helden, selbst bei Superhelden, eigentlich immer um einen Vaterkonflikt.

„Du musst dein eigenes Narrativ schaffen“, sagt der Boxpromoter zu Adonis ,Donnie‘ Creed (Michael B. Jordan), der in der Öffentlichkeit trotz Weltmeistertitels immer noch als Sohn seines Vaters wahrgenommen wird. Apollo Creed, in den ersten vier „Rocky“-Filmen (1976 bis 1985) von Carl Weathers gespielt, war erst der Antagonist, später der beste Freund vom „italienischen Hengst“ Rocky Balboa. Eine Rolle, die Sylvester Stallone das längste Franchise der Filmgeschichte bescherte, älter noch als „Star Wars“.

Für Michael B. Jordan bedeutete „Creed“ den Durchbruch

Apollo starb im vierten Teil im Kampf der Systeme gegen die russische Boxmaschine Ivan Drago (Dolph Lundgren). Der Film erschien in den letzten Zügen des Kalten Krieges, auf dem Höhepunkt von Reagans „Star Wars“-Programm. Im Kino kämpfte Stallone damals an zwei Fronten: als Rocky im Boxring gegen den Mörder seines Freundes, als John Rambo in Afghanistan an der Seite der Mudschahedin gegen die russischen Invasoren. Übersichtliche Zeiten waren das noch.

Auch Regisseur Ryan Coogler (sein „Black Panther“ wurde gerade für den Oscar nominiert) stand vor vier Jahren mit „Creed“ vor der schwierigen Aufgabe, die „Rocky“-Erzählung weiterzuschreiben. Nach sechs Filmen, der letzte von 2006, hatte die Box-Saga ein natürliches Ende erreicht, Stallone war der letzte Überlebende des Originals. Vor dem berühmten „Rocky“-Denkmal auf den Treppen des Museum of Art in Philadelphia posieren jetzt im Sequel von „Creed“ Touristen für Selfies. Zur Erinnerung: Der erste „Rocky“ von 1976 grenzte an Revisionismus. Zwei Jahre zuvor hatten sich Muhammad Ali und George Foreman beim „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa eine legendäre Schlacht geliefert, kurz darauf schickte sich der italienische Junge von den Straßen Phillys an, den schwarzen Schwergewichtsweltmeister zu vermöbeln. Anti-Blaxploitationkino, erzählt als weißes Kitchen-Sink-Drama.

Coogler tat mit „Creed“ etwas sehr Kluges: Er übergab den Stab an den unehelichen Sohn Apollos, der als Waisenkind auf die schiefe Bahn geraten war. Dieselbe Underdog-Geschichte, jetzt als urbanes Drama über das Amerika der Obama-Jahre. Stallone blieb eine würdige Altersrolle als Mentor des jungen Boxers, für Michael B. Jordan bedeutete „Creed“ den Durchbruch. Im Grunde hätte man damit die Geschichte nach fast 40 Jahren ehrenvoll abschließen können. Aber das Narrativ muss weitergehen, die Geister der Vergangenheit geben keine Ruhe.

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In den farbentsättigten Straßen des postsozialistischen Kiew trainiert der von den Weltläufen aus der Bahn geworfene Ivan Drago seinen Sohn Viktor (Florian Munteanu), der eher die Physis eines Gewichthebers hat, für dessen große Karriere. Zusammen reisen sie nach Amerika, um Donnie herauszufordern: Er kann seinen Vater rächen, Viktor bekommt seine Chance auf den Weltmeistergürtel. Drago Senior fiel nach dem verlorenen Kampf gegen Rocky bei den staatlichen Funktionären in Ungnade, seine Frau (gespielt von Brigitte Nielsen, ein besonders bizarres Cameo) verließ ihre Familie. Auch Ivan hat also noch eine Rechnung offen. Rocky rät Donnie von dem Kampf ab, in dem er nur verlieren kann, und tritt, als der die Herausforderung annimmt, als sein Trainer zurück.

„Creed 2“ verschenkt alle Besonderheiten des Vorgängers

Sequel und Remake in einem. Zur Illustration der Fallhöhe dieser Fortsetzung, die Coogler nur noch produzierte (Regie führt Steven Caple jr.), könnte man sagen, dass sich „Creed 2“ zu „Creed“ in etwa verhält wie „Rocky 4“ zum Original. Der Schwund ist erheblich, so konsequent wurden bisher nur wenige Franchises abgewirtschaftet. Streckenweise wirkt der Film wie eine Parodie: der böse Russe (Donnie betritt den Ring mit einer Lasershow wie ein zweiter Kendrick Lamar, um Viktor schießen Höllenfeuer unters Hallendach), Sportlerpathos in Extremzeitlupen, Trainingssequenzen in einer Art Hochleistungsgulag in der Wüste und toxische Männlichkeit ohne Selbsthinterfragung. Letzteres auch trotz Phylicia Rashad (als Donnies Mutter) und der großartigen Tessa Thompson, die wieder Donnies (diesmal schwangere) Freundin Bianca spielt. Sie reden wie gegen Wände, als hätte es zuletzt in „Black Panther“ und „Widows“ nicht schon ein paar toughe Frauen gegeben, die sich nicht mehr jeden Bullshit von ihren Männern bieten lassen.

„Creed 2“ verschenkt leichtfertig alle Besonderheiten des Vorgängers. Im Detail finden sich noch vereinzelt komische kulturelle Missverständnisse: Als Rocky den Namen Becky für sein Patenkind vorschlägt, kann er natürlich nicht wissen, dass dieser unter Afroamerikanern die abfällige Bezeichnung für weiße Frauen ist. Doch mit dem geriatrischen Duo Stallone/Lundgren erinnert „Creed 2“ eher an eine Neuauflage der „Expendables“-Filme. Fehlt nur noch, dass im nächsten Sequel Mr. T ein Comeback feiert.

In 16 Berliner Kinos, OV: Neukölln Arkaden, Cinestar Sony Center

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