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Herz und Gewissen. Nebojša (Nebojša Glogovac) war Augenzeuge, damals 1993. Jetzt soll er den Täter operieren.

© Mediopolis

Bosnien im Jahr 1993: Sein Leben geben

Versöhnung in Bosnien: der Nachkriegsfilm „Circles - Krugovi“.

Einer opfert sich und stirbt für einen anderen. Welche Folgen hat das für den Überlebenden, die Täter, die Augenzeugen? Handelt es sich um eine Heldentat oder einen sinnlosen Tod? Nicht von ungefähr kommt „Circles – Krugovi“ kurz vor Ostern ins Kino.

Eine wahre Geschichte aus dem Kriegsjahr 1993. Auf dem Marktplatz des bosnischen Orts Trebinje wird der serbische Soldat Srdan Aleksic – im Film heißt er Marko – von dem Offizier Todor und weiteren Kameraden zu Tode geprügelt, weil er dem drangsalierten muslimischen Kioskbesitzer zu Hilfe eilt. Aleksic /Marko mochte nicht einsehen, warum der freundliche Bosnier, der ihm täglich Zigaretten verkauft, plötzlich sein Feind sein soll. Alkohol ist im Spiel, Wut, sinnlose Gewalt.

„Circles“ spielt zwölf Jahre später und erkundet die Langzeitfolgen des Krieges, in Trebinje, in Belgrad, in Deutschland. Wie ein Puzzle fügt der serbische Regisseur Srdan Golubovic die Geschichte zusammen, als schicksalhafte Verstrickung jener Zufälle, aus denen sich Biografien zusammensetzen. Haris, der Zigarettenverkäufer (Leon Lucev), hat jetzt eine deutsche Familie und lebt in einem Plattenbau in Halle. Er soll Nada (Hristina Popovic) helfen, damals Markos große Liebe, die mit ihrem kleinen Sohn vor ihrem brutalen Ehemann nach Deutschland geflüchtet ist. Der Herzchirurg Nebojša (Nebojša Glogovac), Markos bester Freund, der tatenlos zusah, soll im Belgrader Krankenhaus den schwer verletzten Todor operieren, den Haupttäter von 1993. Und Markos Vater Ranko (Aleksandar Bercek) baut auf einem Hügel die kleine Kirche wieder auf, die einem Kraftwerk in Trebinje weichen muss. Stein für Stein setzt er sie neu zusammen.

Jede Nachkriegsgesellschaft ist seelischen Zerreißproben ausgesetzt

Ein Film in bedächtigen, eindringlichen, zunehmend lichten Bildern, eine serbisch-slowenisch-kroatisch-deutsch- französische Koproduktion, die die Schmerzstarre der Überlebenden vor Augen führt, ihre existenziellen Dilemmata. Soll der alte Ranko den tüchtigen, von Gerechtigkeitssinn beseelten Bogdan (Nikola Rakocevic) auf der Baustelle anheuern, obwohl der Vater des Jungen einer der Mittäter war? Soll Haris nun sein eigenes Leben für Nada riskieren, nachdem Marko für ihn sein Leben gab? Soll der Chirurg Todor das Leben retten, obwohl der bis heute keine Reue zeigt?

Trauer und Schweigen, Schuld und Gewissensnöte, Rache und Vergebung: Die seelischen Zerreißproben, denen jede Nachkriegsgesellschaft ausgesetzt ist, fasst „Circles“ in Stillleben von archaischer Wucht, die mitunter an Kieslowski erinnern. Dass kein Thesenkino daraus wird, liegt an der klug rhythmisierten Episodenabfolge, dem sparsamen Einsatz von Rückblenden und an der Sorgfalt der Bildkompositionen. Golubovic und sein Kameramann Aleksandar Ilic konzentrieren sich auf Close-ups der Protagonisten, vor Plattenbaufassaden, im sterilen Krankenhausflur, in der Karstlandschaft der bosnischen Berge. So entstehen Tableaux von schmerzhafter Intensität, Momente der Schönheit und Menschlichkeit in einer hässlichen Welt.

Immer wieder stapft der junge Bogdan den Berg zu Rankos Kirche hinauf. Er lässt sich nicht abwimmeln, fordert mit großer Sturheit das Recht der Gegenwart im Bann der Vergangenheit ein. Irgendwann sitzen der Vater des Opfers und der Sohn des Täters zusammen in der Küche und man begreift, wie viel Einsamkeit der Krieg hinterlässt, wie viele heillos verlorenen Söhne und Väter. Die Versöhnung, sie ist ein schier übermenschlicher Kraftakt.

Zu sehen im Original mit Untertiteln in den Kinos Babylon Mitte und Krokodil

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