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Die Berliner Band La Stampa.

© Simone Scardovelli/promo

"Bonjour Trieste" von La Stampa: Traurig war gestern

Pop braucht nicht immer einen Überbau: La Stampa und ihr gleichermaßen in den Achtzigern wie in Gesamteuropa zu verortendes Album „Bonjour Trieste“.

Als La Stampa vor nun doch sehr langen acht Jahren ihr Debütalbum „Pictures Never Stop“ veröffentlichten, versuchten Kritiker die Berliner Band und ihre Musik mit Begriffen wie „Art-School-Pop“ oder „Anti-Diskurs-Pop“ zu fassen zu bekommen. Das war einer gewissen Hilflosigkeit geschuldet (wohin denn diese Band nun wieder stecken?) und trotzdem nicht völlig falsch: Pop stimmte, so allgemein tut er das immer. Und die Verweise auf die Kunsthochschule oder eine spezielle Artyness verdankten sich nicht zuletzt dem Kunstbetriebsmilieu, in dem die fünf nicht mehr ganz jungen Männer und inzwischen eine Frau als neues festes Bandmitglied von La Stampa zu Hause sind. Gitarrist Jörg Heiser beispielsweise war Chefredakteur und Herausgeber des Londoner Kunstmagazins „Frieze“, jetzt fungiert er dort als Editor-at-large; Keyboarder Thomas Hug ist Direktor der Genfer Kunstmesse, Bassist Jan Verwoert Kunstkritiker und Jons Vukorep und Angi Vukorep-Harrer drehen Filme.

La Stampa definieren die allgegenwärtige Pop-Retroness als ewige Zukunft

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es mit dem zweiten La-Stampa-Album „Bonjour Trieste“ (The Vinyl Factory) lange gedauert hat – sind so viele andere Dinge noch zu tun. Man könnte die Band nun irgendwo in dem weiten Feld des Spaß- und Seitenprojekt-Pops verorten, wo sich Was-auch-immer-für- Primär-Kunstschaffende wie zum Beispiel Frank Schätzing, Matthias Schweighöfer, David Lynch oder Juliette Lewis tummeln, weil sie unbedingt mal, von wegen: ein Traum!, (Pop-)Musik machen oder in einer Band spielen wollen; und klar haben La Stampa Spaß, wenn sie ins Studio gehen oder live auftreten. Aber sehr ernsthaft arbeiten sie auch daran, oben genannte Begrifflichkeiten noch feiner aufzulösen, Pop noch weiter zu fassen, gleichermaßen seine gerade dominierende Retroness als sowieso ewige Zukunft zu definieren und ihn in einer gar nicht mal so rosigen europäischen Gegenwart zu verorten.

Ein Song ist die Coverversion eines alten bosnischen Punkrock-Songs

Der Titel deutet es an mit Triest als urbanem Scharnier zwischen altem Westen und neuem Osten, genau wie man sofort auch an die Tristesse einer Françoise Sagan denken soll. Produziert von Tobias Levin, überwiegen Synthesizer und gemächlich vor sich hinpluckernde Drum- Maschinen. Obenhin könnte man von einem gepflegt melodiösen, sanft schwingenden, recht gefälligen Achtzigerjahre- Pop sprechen, bevorzugt britischer Prägung von Blanc Mange über Thompson Twins bis hin zu Heaven 17.

Doch gebrochen wird dieser immer wieder durch Einflüsse aus vielen anderen Ecken Europas. Es gibt die schön elegisch-pumpende Coverversion eines bosnischen Punk- und New-Primitivism-Gassenhauers, „Sta Da Radi Insan?“, den bohrend-melancholischen Wind- und Sonnenanbetungssong „Protector Solar“ mit spanischen Lyrics oder das chansonhafte „Une fille d’officier“. Dabei haben La Stampa mit der Stimme von Angi Vukorep-Harrer nicht nur eine neue Soundfarbe, sondern noch mehr Entschlossenheit hinzubekommen. „Bonjour Trieste“ beweist, wie ungezwungen, wie frei flottierend Popmusik sein kann, wie wenig Überbau sie braucht.

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