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Kakaobäuerinnen an der Elfenbeinküste.

© dpa

"Blut und Schokolade", ein packender Jugendroman über Kinderarbeit: Eines Tages werden wir Menschen sein

Bestürzende Sozialreportage, rauer Abenteuerroman , zarte Liebesgeschichte. Peer Martin erzählt in „Blut und Schokolade“, wie bitter Kakao geerntet wird.

Dieses Buch ist der reinste Krimi. Eine erzählerisch überbordende Coming-of-Age-Geschichte, die zugleich eine bestürzende, anklagende Sozialreportage, ein rauer Abenteuerroman und eine ganz und gar unwahrscheinliche Liebesgeschichte ist.

Angesichts von Themen wie Arbeitssklaverei, Kinderausbeutung, Tod und Gewalt – auch sexueller – ist „Blut und Schokolade“ allerdings etwas für fortgeschrittene Leserinnen und Leser, was die Altersempfehlung „14 Jahre“ ein bisschen nach oben relativiert.

Sein Debüt gewann den Jugendliteraturpreis

Der ehemalige Sozialpädagoge Peer Martin wählt für seine Jugendbücher politisch brisante Stoffe. In „Hope“ erzählte er, wie ein elfjähriger Junge aus Somalia nach Kanada flieht und thematisierte Krieg, Klimawandel und Rassismus.

Und in seinem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Debüt „Sommer unter schwarzen Flügeln“ ging es 2016 um eine syrische Jugendliche, die als Geflüchtete im Asylbewerberheim lebt und sich ausgerechnet in einen Deutschen verliebt, der Mitglied einer rechten Jugendgang ist.

„Blut und Schokolade“ erzählt aus der Perspektive mehrerer Figuren von den Arbeitsbedingungen in afrikanischen Kakaoplantagen, die seit Jahren von Medien thematisiert und von NGOs bekämpft werden. In Ländern wie Ghana und der Elfenbeinküste, wo „Blut und Schokolade“ spielt, werden die Kakaofrüchte von Kindern geerntet, die Menschenhändler entführen, unter falschen Versprechungen anlocken oder armen Familien gar „abkaufen“.

Ohne Kakao aus Afrika, keine Osterhasen. Diese werden in Hornow von Angelina Piosik, Mitarbeiterin der Confiserie Felicitas hergestellt.
Ohne Kakao aus Afrika, keine Osterhasen. Diese werden in Hornow von Angelina Piosik, Mitarbeiterin der Confiserie Felicitas hergestellt.

© Patrick Pleul/dpa

Genauso ist es Yaya aus Mali ergangen, der seitdem er sieben ist, an der Elfenbeinküste auf der Plantage von Monsieur Youssouf und dessen Sohn Yves schuftet. Bis zu 16 Stunden am Tag, unterernährt, unbezahlt und von bissigen Hunden bewacht. Zwei Jahre sucht sein großer Bruder Issa nach ihm, bis er ihn endlich findet. Und sich trotz seines amputierten Beins ebenfalls auf der Plantage verdingt, um Yaya irgendwie zu befreien.

Deutlich besser hat es Manal getroffen. Sie ist 18 wie Issa, jobbt in einem Schokoladengeschäft in Berlin und reist an die Elfenbeinküste, um auf der Suche nach den afrikanischen Wurzeln ihrer Familie Tante Fatouma und Onkel Mamatou auf deren Farm zu besuchen.

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Ihr Vater, Pieter, ist ein Schriftsteller, der sich vorgenommen hat, endlich die Sklavereigeschichte der Familie seiner afroamerikanischen Ehefrau Muriel aufzuschreiben. Das ist der parallel laufende Historienstrang, vor dessen Hintergrund Peer Martin die Identitätssuche von Manal, Issas dramatische Erlebnisse und schließlich beider Kennenlernen erzählt.

Süßwarenkonzerne drücken die Preise

Die Sympathien des Erzählers gelten dabei sowohl der privilegierten Europäerin als auch dem armen Afrikaner. Eine Balance, die der Roman in Bezug auf die weißen Einkäufer, die beim Begutachten der Kakaoernte die Augen vor der Realität auf der Plantage verschließen und im Auftrag der Süßwarenkonzerte unbarmherzig die Preise drücken, nicht hält. „Blut und Schokolade“ ist parteiisch. Nach der Lektüre schmeckt billige Supermarktschokolade bitter statt süß.

Cover von "Blut und Schokolade".
Cover von "Blut und Schokolade".

© Dressler Verlag

[Peer Martin: Blut und Schokolade. Dressler Verlag, Hamburg 2021, 448 Seiten, 20 €. Ab 14 Jahre]

Trotzdem gelingen Peer Martin in Manals und Issas subjektiven Eindrücken und den Schilderungen der afrikanischen Natur am Fluss, in dem Krokodile und Zwergflusspferde unterwegs sind, immer wieder atmosphärische, ja poetische Szenen. Auch in der Geschichte von Manals Vorfahren Idriss und Awa, die als afrikanische Sklaven im 19. Jahrhundert erst nach Kuba und dann in die USA verkauft werden.

Idriss und Awa sind historische Sklaven

„Eines Tages werden wir wieder Menschen sein“, ist der als Selbstbeschwörungsformel im größten Elend wiederholte Satz von Awa. Dieser Traum hilft ihr und Idriss beim Überleben. Und als sie schon nicht mehr darauf zu hoffen wagen, wird er wahr.

So ähnlich geht es auch Issa und Yaya, die im letzten Drittel des Buches gemeinsam mit anderen Kinderarbeitern eine riskante Flucht von der Plantage hinlegen, die Manal tatkräftig unterstützt. Diesmal ist es Issas Traum vom freien Leben, der sie alle zum Äußersten treibt. Dieser Wille ist weder von fiesen Plantagenbossen, noch von korrupten Polizisten klein zu kriegen.

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