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Blockflöte und Vogelgesang wie der der Blaumeise sind nah beieinander.

© picture alliance / ZB/Patrick Pleul

Blockflöte im Pierre Boulez Saal: Tierisch gute Barockklänge

Der südafrikanische Blockflötist Stefan Temmingh hat auf der Wahlverwandtschaft seines Instruments zum Vogellaut einen Abend aufgebaut.

Schon bemerkenswert, dass Flöte und Vögel auch noch die gleiche Vokalfolge haben. Auch sonst bilden sie, wie die Musikgeschichte zeigt, ein unverbrüchliches Paar. Der südafrikanische Blockflötist und Barockexperte Stefan Temmingh hat im Pierre Boulez Saal auf der fast natürlich klingenden Wahlverwandtschaft seines Instruments zum Vogellaut einen ganzen Abend aufgebaut – was im Grunde naheliegt, aber vielleicht gerade deshalb selten gemacht wird. Auftritt also Temmingh, mit einem schier unendlichen, tatsächlich 40 Sekunden ausgehaltenen dreigestrichenen C in einem Flötenkonzert von William Babell. Auf das Capricornus Consort Basel kann er sich verlassen. Die Schweizer haben den Ensemblegedanken völlig verinnerlicht, lassen aber auch keinen Zweifel daran, dass hier zehn Individuen musizieren und auch solistisch brillieren, wie Cembalistin Wiebke Weidanz.

Dann die menschliche Stimme: Dorothee Mields, die seit Jahren Barockfans mit ihren CDs beglückt, singt Arien von Händel und fängt dabei, Stichwort Vögel, an zu fliegen. Kaum zu glauben, wie souverän sie über Ausdruckskraft und Volumen in allen Lagen verfügt. So emotional, wie sie Telemanns „Trauer-Musik eines kunsterfahrenen Canarienvogels“ singt – wohl der längste Nachruf, den je ein gefressenes Vöglein bekommen hat –, so gehässig, wie sie der Katze wünscht, sie möge platzen: Da wünscht man, sie öfter auf der Opernbühne zu sehen. Jemand im Parkett quittiert es mit einem kräftigen „Miau“.

Allem Humor zum Trotz hat der Abend ein Problem. Programmatisch ergibt sich kein Flow, obwohl paradoxerweise das Vogelmotto als Klammer dient; die Stücke reihen sich recht unverbunden aneinander. Stefan Temmingh ist als Blockflötist zweifellos virtuos, schenkt jedem Ton Charakter und Farbe. Doch Brillanz hat auch ihre Schattenseiten, wenn sie dominiert, sich nicht einfügt, alles an die Wand drückt. Die Vehemenz, der Druck, mit dem Temmingh immer wieder lang gezogene Töne formt, wirken so, als müsse er sich und dem Publikum etwas beweisen. Irgendwann hat man auch genug von dem lieben Federvieh. Und ist fast dankbar, dass mit dem so dramatischen wie melancholischen Contrapunktus IV aus Bachs „Kunst der Fuge“ völlig andere, garantiert vogelfreie Musik auf dem Programm steht.

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