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Von Philadelphia aus organisieren Harriet Tubman (Cynthia Erivo) und William Still (Leslie Odom Jr.) den "Underground Railroad".

© Universal

Biopic über Harriet Tubman: Schwarze Superheldin von Gottes Gnaden

Die Aktivistin Harriet Tubman war eine Vorkämpferin gegen die Sklaverei. Das Biopic "Harriet – Der Weg in die Freiheit" erzählt ihre Lebensgeschichte.

Von Andreas Busche

In den Comics von Marvel und DC tauchten die ersten schwarzen Superheldinnen erst in den Siebzigern auf, dem Höhepunkt der Blaxploitationwelle. In der amerikanischen Geschichte datiert eine schwarze Superheldin allerdings schon über ein Jahrhundert früher. In den 1850ern, als in Amerika Sklavenhandel und Plantagenwirtschaft blühten, schloss sich Harriet Tubman dem Netzwerk „Underground Railroad“ an, das Sklaven aus den Südstaaten in den (relativ) sicheren Norden schleuste. Unter dem nom de guerre „Moses“ galt sie bald als meistgesuchte Abolitionistin.

Tubmans Superkräfte waren ihr unerschütterlicher Glaube an die Errettung der Schwarzen aus der Unterdrückung, sie führte ihre Leute über Hunderte von Meilen durch Sümpfe, Flüsse und Wälder, verfolgt von den Bluthunden der Sklavenjäger. Sie starb 1913 mit ungefähr 93 Jahren in New York, ihr genaues Alter wusste sie selbst nicht. Harriet Tubman, die sich später auch der Suffragetten-Bewegung anschloss, war als Sklavin geboren worden.

Das Leben von Harriet Tubman gehört zu den großen Heldinnenerzählungen der amerikanischen Geschichte. Selbst Donald Trump hat für sie einen Platz in seinem geplanten „National Garden of American Heroes“ vorgesehen. (Der Plan, ihren Kopf auf dem 20-Dollar-Schein zu verewigen, wurde hingegen aufgeschoben.) Umso unverständlicher, dass Tubmans Leben bei aller Vorliebe Hollywoods für biografische Stoffe bisher nicht verfilmt wurde. Ende der Siebziger gab es lediglich die Miniserie „A Woman Called Moses“.

Cynthia Erivo war für den Oscar nominiert

Kasi Lemmons und ihre Hauptdarstellerin Cynthia Erivo setzen Tubman mit dem Biopic „Harriet – Der Weg in die Freiheit“ nun ein Kinodenkmal. Es ist überfällig. Der Kampf gegen die Sklaverei ist in Hollywood bisher vornehmlich die Aufgabe weißer Heilsfiguren gewesen, von Spielbergs Geschichtsdramen „Amistad“ und „Lincoln“ über „12 Years a Slave“ bis „Django Unchained“.

Harriet Tubman war keine Heldin von weißen Gnaden, und es gibt derzeit in Hollywood wohl kaum eine bessere Darstellerin für die Rolle als die Britin Erivo, die sich mit nur einer Handvoll Filmen (zuletzt in der HBO-Miniserie „The Outsider“ als seherisch begabte Serialkiller-Profilerin) in eine Liga mit Lupita Nyong'o, Tessa Thompson, Viola Davis, Octavia Spencer und Janelle Monáe gespielt hat. Für ihre Harriet Tubman war sie für den Oscar nominiert.

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Monáe ist auch in „Harriet“ dabei, sie spielt die freewoman Marie Buchanon, die in Philadelphia eine Station des „Underground“ betreut. Philadelphia ist ein wichtiger Knotenpunkt des Netzwerks, hier operiert auch der Schriftsteller und Abolitionist William Still (Leslie Odom Jr.), einer der wichtigsten „Zugführer“ der „Railroad“, der die Geschichten der befreiten Sklaven sammelt.

Der Ruf der Auserwählten

Still heuert Harriet an, aber die fühlt sich nur ihrem Gott verpflichtet. Nach einer riskanten Rettungsaktion ihrer Familie von der Plantage in Maryland verbreitet sich der Ruf Harriets als Auserwählte. Doch ihr früherer Master Gideon Brodess (Joe Alwyn), Sohn des Plantagenbesitzers, setzt alles dran, mit Hilfe des schwarzen Sklavenjägers Bigger Long (Omar J. Dorsey) sein ehemaliges Kindermädchen in das siechende Familienimperium zurückzuholen.

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Man meint die Verantwortung zu spüren, die Lemmons gegenüber der historischen Persönlichkeit empfindet. „Harriet – Der Weg in die Freiheit“ schöpft zu wenig aus den dramaturgischen Möglichkeiten des Biopics, anders als etwa Ava DuVernay mit ihrem Martin-Luther-King-Film „Selma“. Die mythische Landschaft des Südens wirkt in den Fluchtszenen eine Spur zu pittoresk, Tubmans metaphysische Eingebungen sind in monochromem Schwarz-Weiß gehalten.

Keine Gewaltdarstellungen der Ausbeutung

Gleichzeitig verzichtet Lemmons auf Gewaltdarstellungen von Ausbeutung und Unterdrückung – und konzentriert sich stattdessen auf die origin story Tubmans. Der Film ist ganz auf Erivo zugeschnitten, sie trägt ihn allein. Sklaverei zeigt in „Harriet“ ein anderes Gesicht, es geht weniger um die Zerstörung des schwarzen Körpers als um Züchtigung durch Abhängigkeit.

Die psychologische Facette der Ausbeutungsverhältnisse ist einerseits eine kluge Beobachtung, bekommt in der Beziehung zwischen Tubman und Brodess allerdings deutlich zu viel Gewicht.

Der Zeitpunkt für „Harriet“ könnte gar nicht besser sein. Die Geschichte des „Underground Railroad“ wird in der Literatur (Colson Whiteheads pulizerpreis-gekrönter, gleichnamiger Roman, Ta-Nehisi Coates' Debüt "Der Wassertänzer") und in Serien (zwei Staffeln "Underground") gerade ausgiebig gewürdigt, die Folgen der Sklaverei werden in den USA wieder offen diskutiert. Lemmons und Erico geben einer der wichtigsten Aktivistinnen eine Stimme und ein Gesicht.
In elf Kinos (auch OmU), OV: Titania Palast

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