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Der lateinamerikanische Pavillon steht unter dem Motto „Indigene Stimmen – Voces Indígenas“.

© José Huamán Turpo

Biennale di Venezia: Die Welt der Kunst zu Gast in Venedig

Auf der Biennale di Venezia präsentieren sich in diesem Jahr wieder 28 Nationen in künstlerisch gestalteten Pavillons. Die Gefahr zu scheitern ist groß.

Am Vortag der Biennale di Venezia geschäftiges Treiben wie immer in der Stadt, Scharen von Touristen, Anfang Mai ist Hochsaison. Doch umso näher man am östlichen Ende der Stadt den Giardini und dem Arsenale kommt, wo im 17. Jahrhundert in einer Vorform der Fließband-Produktion die Schiffe für das venezianische Heer gebaut wurden, umso mehr ändert sich die Geschäftigkeit. Künstler, Kuratoren hasten ein und aus, Arbeiter bringen noch letztes Material zur Vollendung der Ausstellungen in den Pavillons. Selbst am nächsten Tag, wenn die Vorbesichtigungen beginnen, wird überall noch gewerkt, denn offizielle Eröffnung ist erst am Sonnabend, wenn die Giardini für das große Publikum geöffnet sind.

Wer Glück hat, kann schon vorher in den ein oder anderen Pavillon schlüpfen und sich einen ersten Eindruck verschaffen. Der Lateinamerikanische Pavillon gibt eine solche Gelegenheit. Aus dem dunklen lang gestreckten Raum, eine der letzten unsaniert gebliebenen Werkhallen im Arsenale, dringen Stimmen. Im Inneren schwillt das Gemurmel zur Kakophonie an. Darin besteht auch schon die Kunst – und sie beeindruckt in ihrem Minimalismus.

Rechts und links stehen Lautsprecher in einer langen Reihe, aus denen die Stimmen dringen. Es ist eine Hommage an die Sprachvielfalt des Kontinents, die sich zunehmend reduziert. Wie die Pflanzen und Tiere verschwinden sie, seit dem Jahr 1500 sind bereits 85 Prozent ausgestorben. Damit geht stets ein Kulturraum verloren.

Verbeugung vor dem indianischen Erbe

Aber noch immer ist es eine faszinierende Fülle, die sich selbst in diesem kleinen Ausschnitt präsentiert. Gutturale Laute, Krächzen, staccatohafte Sätze – die gesprochenen Texte sind mal wissenschaftlicher Natur, mal mythische Erzählungen, mal die Aufnahme des Sprachunterrichts, den sich ein Künstler von Maya-Kindern hat geben lassen.

Die Verbeugung vor dem indianischen Erbe des Kontinents würde auch ins Berliner Humboldt-Forum passen, für das die Sound-Installation bereits geplant war, als die Landesbibliothek dort noch unterkommen sollte. Die Stimmen Südamerikas wären immer noch adäquate Gäste für ein Haus, das sich der außereuropäischen Kultur verschrieben hat.

Ein Heiligtum aus Holz

Auch aus dem benachbarten Lettischen Pavillon dringen Geräusche, hier wird noch gehämmert, gesägt, zusammengeschraubt. Katrin Neiburga und Andris Egitis bauen an einer hölzernen Höhle, die aus Hunderten Holzstücke alter Möbel zusammengesetzt ist, ein regelrechtes Heiligtum entsteht, in dem Autolampen an den Seiten und eine ausrangierte Wäscheschleuder als Deckenleuchte Licht spenden.

In die Holzwände sind altmodische Bildschirme eingesetzt, auf denen Schwarz-Weiß-Dokumentationen von lettischen Garagen laufen, ein Rückzugsort ins Private zu Zeiten des Sozialismus. Hier wurde repariert, gebaut, improvisiert. Auch der Lettische Pavillon ist eine Hommage an eine fast  verborgene Welt, eine Männerwelt. Sie ist rührend, aber auch erschreckend in ihrer Abschottung gegen das andere Geschlecht. Die Geschichte scheint über sie hinweggegangen.

Der Luxemburgische Pavillon verspricht das Paradies und will von allem zu viel.
Der Luxemburgische Pavillon verspricht das Paradies und will von allem zu viel.

© Filip Markiewicz

In ihren besten Momenten erzählen die nationalen Pavillons etwas über ihr Land in einer gelungenen ästhetischen Sublimierung. Die Gefahr des Scheiterns ist enorm, Kitsch droht, Sentimentalität, Überfrachtung. Zu viel von allem will der Luxemburgische Pavillon, er verspricht gar das Paradies.

Der kleine Palazzo del Ducca ist vollgestopft mit Technik, Zeichnungen, Installationen, Fotografien. Filip Markiewicz versucht eine Tour de Force mit eigenen familiären Beziehungen, Schauspielern, die er an verschiedenen Orten in seinem Heimatland auftreten lässt, Blut tropfenden Rosen, Disco-Kugeln und der Möglichkeit zu Karaoke. Er will das Spannungsfeld Luxemburgs als Paradies für reale wie Steuerflüchtige erfassen und liefert auf seine Art ebenfalls eine Kakophonie. Am Ende ist auch er eine Stimme im Konzert der Biennale, das sich in den nächsten Tagen erhebt.

Aber erst einmal senkt sich die Abendsonne freundlich über Venedig. Der Präsident der Biennale Paolo Baratta lädt wie immer am Vorabend der Besichtigungstage zum Empfang auf der Terrasse des Ca'Giustinian mit Blick auf den Canal Grande. Vor diesem Hintergrund löst sich alles in Wohlgefallen auf. Selbst der Zorn des Biennale-Hauptkurators Okwui Enwezor verflüchtigt sich, der allzu neugierige Besucher aus seiner Ausstellung scheucht. Die eigentliche Eröffnung kommt schließlich erst.   

Biennale di Venezia, 9.5. bis 22.11.2015. www.labiennale.org

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