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Technologieunternehmer Elon Musk in Berlin.

© Fabian Sommer/dpa

Besuch des Tesla-Chefs in Berlin: Das Geheimnis einer Galionsfigur

Wenn der Triumph des Moments den ökonomischen Wert überstrahlt. Elon Musk beweist wie wirtschaftlicher Erfolg vom Populismus zehrt. Eine Glosse.

Der Aktionskünstler Christoph Schlingensief hat einmal von dem elektrisierenden Gefühl des Avantgardisten gesprochen. Wie toll es sei, vorauszulaufen und dann plötzlich stehen zu bleiben, so dass alle, die einem nachgerannt seien, an einem vorbeilaufen würden. Der Rückenwind, sagte Schlingensief, den er in diesem Moment spüre, sei eine wunderbare Bestätigung.

Mehr als diesen Wind hat Schlingensief nicht erwartet. Kunst schafft Momente. Wer hätte gedacht, dass sich Teile der Wirtschaft mit ihren trägen Kapitalisierungsprozessen auch einmal an diese Happeningstrategie halten würden? Der Erfolg des Moments überstrahlt den ökonomischen Wert.

Elon Musk ist eine Galionsfigur dieser Entwicklung. Kaum ein anderer Unternehmer geht so schonungslos mit den Erwartungen um, die in ihn und sein Geld gesetzt werden wie der gebürtige Südafrikaner, der, statt ein Stanford-Stipendium anzunehmen, lieber ein Start-up-Unternehmen gründete. Durch den Verkauf des Online-Bezahlsystems Paypal verfügt er über scheinbar unerschöpfliche Ressourcen.

Und mit denen geht er um, wie es dem sprunghaften Wesen eines Internet-Dandys entspricht. Er interessiert sich für schicke Autos – und baut sie gleich selbst. Er interessiert sich für Raketen – und baut sie gleich selbst. Und er ist von künstlicher Intelligenz fasziniert, in die er enorme Forschungsmittel steckt. Alles Bereiche, in denen er anderen Menschen voraus ist und den Wind spüren kann, den er entfacht.

Er genießt einen mystischen Ruf

Dass es manchmal zu viel Wind ist, erlebte Musk vor zwei Jahren, als er öffentlich darüber nachdachte, Tesla von der Börse zu nehmen. Das löste einen Sturm unter Anlegern aus. Er musste sich aus dem operativen Geschäft des Unternehmens zurückziehen und fungiert seither als eine Art Kickstarter, dessen Einfluss zwar durch eigene Aktienenteile abgesichert ist, aber mehr noch durch den mystischen Ruf, den er genießt.

Sein verschwenderischer Umgang mit dem, wovon die meisten Menschen zu wenig besitzen, Geld, beansprucht für sich den Luxus des Scheiterns.

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Dass ihm deshalb überall Aufregung entgegenschlägt, wie jetzt bei seinem Abstecher nach Berlin, verdeutlicht nur, dass auch wirtschaftlicher Erfolg vom Populismus zehrt. Mag der 49-jährige T- Shirt-Träger auch in einer Reihe mit amerikanischen Gründungsfiguren wie Ford und Rockefeller stehen und die Welt mit heroischem Pathos in einen besseren Ort verwandeln wollen, so stützt sich sein Modell doch auf Überblendung. Er hat wenig vorzuweisen, was das Vertrauen in ihn rechtfertigen würde.

Rekord-Baustelle. Nirgends in Deutschland wird schneller gebaut als in Grünheide.
Rekord-Baustelle. Nirgends in Deutschland wird schneller gebaut als in Grünheide.

© Christophe Gateau/dpa

Das wird jedoch wettgemacht durch Fahrtwind, und der entwickelt seine eigene Dynamik. Auf eigenes Risiko eine Gigafactory bauen, für die es keine Baugenehmigung gibt? Wer würde die Genehmigung für eine Fabrik verweigern, die bereits steht?

Ein Ding im Werden

Daraus ergibt sich die Frage, ob es einen Unterschied macht, anderen Menschen mit gutem Beispiel voranzugehen oder sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. In beiden Fällen ist man ihnen einen Schritt voraus. Einer wie Elon Musk scheint früh verinnerlicht zu haben, dass der Weg von A nach B, von der Idee zum Produkt, dass der Weg des Machens Tatsachen aufsaugt und sie untergehen lässt in einem Prozess, den zu berherrschen das eigentliche Geheimnis ist.

Gerade erst ist ein Unternehmen für den Zahlungsabwickler Wirecard in den Dax aufgenommen worden, das noch in keinem einzigen Bilanzjahr mehr verdient als ausgegeben hat. Es ist ein Ding im Werden, ein Bastard der Amazon-Strategie. Der Internetkonzern hat jahrelang von dem guten Glauben seiner Investoren gelebt, bis er eine Marktdominanz erreicht hatte, die sich auch finanziell auszahlte.

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