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Astrud Gilberto in den sechziger Jahren.

© Wikipedia/gemeinfrei

Berühmt mit "The Girl From Ipanema": Astrud Gilberto zum 80. Geburtstag

Schwerelose Anmut: Zum 80. Geburtstag der brasilianischen Bossa-Nova-Sängerin Astrud Gilberto.

Von Jörg Wunder

„Tall and tan and young and lovely / The Girl from Ipanema goes walking“ – die ins Englische übersetzten Verse des brasilianischen Dichters Vinícius des Moraes sind berühmt, die von Antônio Carlos Jobim komponierte Melodie ist noch berühmter.

Aber dass der Song über eine Strandschönheit in Rio de Janeiro Mitte der Sechziger zum Welthit wurde, lag vor allem am betörenden Gesang einer jungen Frau: Astrud Gilberto. Geboren 1940 in Salvador de Bahia als jüngste von drei Töchtern einer Lehrerin und eines deutschen Auswanderers, war sie seit 1959 mit Joao Gilberto, einem der Jungstars der Bossa Nova, verheiratet, zeigte aber wenig Interesse an einer eigenen Karriere. Bei den Aufnahmen, die Joao Gilberto und Jobim 1963 in New York mit dem Jazzsaxofonisten Stan Getz für das Label Verve einspielten, kam Astrud eher zufällig ins Spiel.

Auch wenn sie die Legende, dass sie quasi vom Herd ans Mikro gewechselt sei, stets bestritt, war es doch das unaffektierte Timbre einer Amateurin, das dem künftigen Evergreen seinen besonderen Klang verlieh.

Ihr Verhältnis zur Heimat blieb gestört

Als sich der Erfolg von „The Girl from Ipanema“ abzeichnete und gleichzeitig ihre Ehe zerbrach, lernte Gilberto die dunklen Seiten des Popgeschäfts kennen. Männer mit Einfluss nutzten die finanziellen und psychischen Nöte der alleinerziehenden Mutter aus – auch sexuell.

Trotzdem veröffentlichte sie in Folge eine Reihe ausgezeichneter Alben, auf denen sie vorzugsweise Bossa-Nova-Stücken, aber auch Standards wie „Fly Me to the Moon“ ihren Stempel aufdrückte. Dabei versuchte sie nie, gegen die üppigen Arrangements berühmter Bandleader wie Claus Ogerman und Gil Evans anzusingen, sondern ließ sich von ihnen umschmeicheln.

Ihr verhaltener, oft wie gehaucht wirkender Gesang passte perfekt zur schwerelosen Anmut der Bossa Nova, was sie zu einer der bekanntesten Interpretinnen brasilianischer Popmusik machte. Allerdings mehr im Rest der Welt als in Brasilien: Nur einmal trat Astrud Gilberto, die seit 1963 in den USA lebt, dort auf.

Ein spätes Highlight war ein Duett mit George Michael

Die Resonanz war bei den Kritikern negativer als im Publikum, aber ihr Verhältnis zur Heimat blieb gestört.

Dass ihr Stern in den Siebzigern sank, hat Gilberto wenig geschert. Im Gegenzug befreite sie sich künstlerisch, schrieb und produzierte viele ihrer Songs nun selbst. 1977 erfüllte sie sich einen Traum und nahm ein Lied mit ihrem Idol Chet Baker auf, 1986 veröffentlichte sie ein schönes Album mit dem Easy-Listening-König James Last.

Ein spätes Highlight war 1996 das Duett „Desafinado“ mit George Michael. Zu Beginn des neuen Jahrtausends zog sich Gilberto zurück, um zu malen und sich für Not leidende Tiere einzusetzen. Die Stimme, die der Popmusik dadurch verloren ging, war stets eine leise, eine, die man hören wollen musste. Und doch eine, deren Sound die Welt verändert hat. An diesem Sonntag wird Astrud Gilberto 80 Jahre alt.

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