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Bernhard Haitink.

© Sigi Tischler/dpa

Bernard Haitink zum 90.: Musik durchpulst das Universum

Seelenvolles Musizieren: Der niederländische Dirigent Bernard Haitink feiert seinen 90. Geburtstag - und ist im Mai noch einmal in Berlin zu Gast.

Über die Angst der Musiker vor ihren Taktstock schwingenden Chefs ist dieser Tage zu Recht die Rede. Doch es gibt auch Dirigenten, denen die Tatsache, vor einem Orchester zu stehen, Albträume beschert. Bernard Haitink haben sie lange verfolgt – auch, als er schon zu einem der weltweit erfolgreichsten und vor allem auch am meisten geschätzten Dirigenten avanciert war. Viel zu unerfahren fühlt er sich, als er mit 27 Jahren zum ersten Mal das beste Orchester seiner Heimat dirigiert. Dennoch macht ihn das Concertgebouw Orchestra bald darauf zu seinem Chef. Haitink, der seine Laufbahn als Geiger begann, spürt eine enorme Verantwortung auf sich lasten, zumal schon kurz darauf die Klassikwelt auf ihn aufmerksam wird. 1964 leitet Haitink zum ersten Mal die Berliner Philharmoniker. Der Beginn einer tiefen Freundschaft.

Was macht die Faszination aus an einem Dirigenten, der nicht von Interpretation sprechen möchte, sondern lieber von Wiedergabe? Neben den charismatischen Pultstars wirkt Haitink leicht bieder. Sein Ego offenbart sich in einer dienenden Rolle, im Erarbeiten der Literatur, im Respekt vor dem Klang eines Orchesters. Dabei hat er Maßstäbe gesetzt und die Werke von Mahler, Bruckner und Schostakowitsch für viele Schallplatten-Hörer erstmals geöffnet. Sein Ideal wurzelt im Klang des Concertgebouws und seines Orchesters: Wärme und Transparenz, Biegsamkeit und Bassfundament. Sein seelenvolles Musizieren sucht den großen Strom, der die Musik durchpulst, die Musiker und Zuhörer, das Universum. Bei allem Applaus bleibt Haitink bescheiden: „Ehrlich gesagt, ich kann mir meinen Erfolg auch nicht erklären. Ich sage nicht viel, doziere nicht, kann keine Monologe halten. Oft denke ich: Die haben nicht viel von mir.“

London wird für den Niederländer Haitink zur zweiten Heimat, ihm liegt die Mentalität der Briten. Er leitet das London Philharmonic, das Opernfestival von Glyndebourne und später das Opernhaus von Covent Garden. Eine außergewöhnliche Karriere für einen reinen Konzertdirigenten, dessen Temperament jegliche Theatralik fern liegt. Und doch erarbeitet er sich von seiner Liebe zu Mozart aus ein Gespür fürs Musiktheater, vor allem auch für Wagner. An der Themse wird der junge Simon Rattle zu einem Bewunderer Haitinks. Als er Jahrzehnte später Chef der Berliner Philharmoniker wird, nennt er dessen Namen zuerst, als es darum geht, welche Gastdirigenten er dem Orchester wünscht. „Wenn Haitink mal wieder zu Gast war, spielen die Philharmoniker noch in der Woche darauf entspannter, räumlicher und ausdrucksstärker“, beschreibt es Rattle. In London dirigiert der Maestro auch das Konzert zu seinem 90. mit Lieblingsstücken von Mozart und Bruckner. Im Mai kommt er noch einmal zu den Philharmonikern nach Berlin. Doch im Anschluss an die Feiern hat sich Haitink selbst eine Pause verordnet, von Sommer 2019 bis Sommer 2020 will er den Taktstock ruhen lassen und sich nach einigen schweren Stürzen erholen. Einer Sache kann er sich an seinem heutigen Geburtstag gewiss sein: Musiker wie Zuhörer erwarten ihn zurück am Pult.

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