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Robin Ticciati, Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters.

© picture alliance/dpa

Berlioz und Beethoven mit dem DSO: Alles ist Atem und Vision

Wimpernschläge des Glücks: Das Deutsche Symphonie-Orchester spielt ein deutsch-französisches Programm in der Berliner Philharmonie.

Feine Fäden verbinden das deutsch-französische Programm, das Chefdirigent Robin Ticciati mit dem Deutschen Symphonie-Orchester am Samstag in der Philharmonie auflegt – und mit dem das DSO auch seine von den Covid-Restriktionen arg gebeutelte Jubiläumstournee bestreiten wird. Der junge Hector Berlioz ließ von seiner mittelalterlichen Schaueroper „Les francs-juges“ („Die Femerichter“, 1826) nach mehreren Ablehnungen nur die Ouvertüre übrig. Von der ersten Sekunde an zeigt sich, dass dies ein äußerst homogener, ja glückhafter Abend werden würde. Das Orchester trumpft mit saftiger Lust an dieser Musik auf, die den späteren genialisch-manischen Berlioz zwar noch nicht offenbart, aber andeutet. Was ließe sich über eine Ouvertüre Besseres sagen, als dass sie neugierig macht auf die Oper, die sie einleiten soll – auch wenn diese leider nie verwirklicht wurde?

Schumanns funkelndes Juwel

Guter Hoffnung ist man also für die unfassbare Schönheit von Schumanns Klavierkonzert, funkelnde Juwel und Höhepunkt romantischen Repertoires. Ticciati, der sich vor einigen Jahren an Schumann durchaus schon kräftig verhoben hat, enttäuscht nicht, im Gegenteil: Vitalste Mimik und tänzelnde Gestik verraten, wie sehr er „drin“ ist, wie sehr ihn die Musik bis in die Fingerspitzen erfüllt. Ein äußerst dynamischer Auftaktakkord also, der einen Wimpernschlag später vom Solisten übernommen wird. Die Tempovorstellungen von Leif Ove Andsnes und Ticciati scheinen zunächst auseinanderzulaufen, der Dirigent prescht voran, der Pianist bremst.

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Das pendelt sich schnell ein. Andsnes ist kein Paganini am Klavier, vielmehr hat er inzwischen eine fast buddhistische Ruhe und Abgeklärtheit erreicht, die allerdings Überschwang nicht ausschließt. Kontrolle in der Ekstase: ein Klang gewordenes Paradoxon. Und eine ziemlich gute Interpretation, beseelte 30 Minuten voller Innerlichkeit und Schwärmerei. 30 Minuten, in denen sich der Ursprungsgedanke c-h-a-a (für Chiara, Clara Schumann) abwandelt, transformiert, immer weiterspinnt.

Innerlichkeit und Schwärmerei

Auch in Beethovens Eroica spinnen Orchester und Dirigent den bemerkenswerten Abend weiter. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass manches auch stört, die markanten Hörner im dritten Satz haben keinen guten Auftritt. Aber sonst: Nie zerspleist der Streicherklang, alles ist Dynamik, Bewegung, souveräne Dehnung und Stauchung, Atem, Vision. Wenn sich bei einem so oft gehörten Stück wie der 3. Symphonie noch der Gedanke aufdrängt: „Mensch, was war dieser Beethoven für ein Kerl“ - dann muss jemand etwas sehr richtig gemacht haben.

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