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Auf der Art Cologne 2019 war das Werk von Francis Celentano noch live oder digitalisiert zu sehen.

© Art Cologne

Berlins Kunstszene in der Krise: Hinter verschlossenen Türen

Galerien schließen ihre Ausstellungen und gehen online, das Gallery Weekend wird in den Herbst verschoben. Wie die Berliner Kunstszene mit der Krise umgeht.

Unterstützung willkommen“ steht nun am Ende diverser Mails, und man reibt sich die Augen: Es handelt sich um – wenn auch kleinere – Kunstmessen, die die Absage geplanter Veranstaltungen mit einem Aufruf zu Spenden verbinden.

Ausgerechnet Messen, diese marktmächtigen Instrumente, denen sich die Galeristen eher beugen, als dass sie den teuren Kurzauftritt in dicht gedrängten Ständen wirklich lieben. Doch in der Krise wird deutlich, wie labil diese globalen Plattformen und wie wichtig sie für die Kontakte und Verkäufe der Galerien sind. Erst recht, wenn die eigenen Räume geschlossen bleiben müssen und die einzige Möglichkeit der öffentlichen Sichtbarkeit im Internetauftritt besteht. Ein Galerist wie Johann König lädt auf Instagram zu virtuellen Ausstellungsbesuchen mit den Künstlern – und ihm selbst. Die Galerie Tanja Wagner hat eine „Videothek“ auf ihrer Website installiert und zeigt dort filmische Arbeiten. Andere vereinbaren individuelle Besuche ihrer aktuellen Ausstellungen, die mit viel Geld und Aufwand realisiert wurden. Zu ihnen zählt etwa die Jubiläumsschau „Was tun?“ von Volker Stelzmann in der Galerie Poll. Nana Poll arbeitet ohnehin im Büro und möchte „Interessierten die Gelegenheit geben, sich die Werke anzuschauen.“ Das Programm der Galerie steht schon bis Jahresende, doch wird in Absprache mit den Künstlern nun flexibel geplant: Stelzmanns Bilder werden statt bis Ende April noch bis zum 13. Juni hängen.

Die Messe Paper Positions findet erst im Herbst statt

Andernorts ist Verschiebung das Stichwort. In Berlin trifft es mit der „Paper Positions“ ebenfalls eine Messe, die mit gut 60 Ausstellern zwar nicht groß ist, den Teilnehmern aber Präsenz garantiert. Nun wird auch sie erst im Herbst während der Berlin Art Week stattfinden – und parallel zur „Positions“, der eigentlichen großen Messe. Macht sie der „Paper Positions“ als Auskoppelung, mit der man bislang auch im Berliner Kunstfrühling sichtbar sein wollte, nicht Konkurrenz? Heinrich Carstens, der die Messe mit Kristian Jarmuschek organisiert, verneint. Man arbeite an einem Konzept, das beiden gerecht werden soll. Und daran, den Galerien der „Paper Positions“ Ende April „ein Fenster in den sozialen Medien zu öffnen“. Vom Erfolg einer Doppelmesse im Herbst ist Carstens fest überzeugt. Für den Moment und die Zukunft der Galerien fordert er allerdings wie viele andere der Kunstszene direkte, informelle finanzielle Mittel: „Wir brauchen jetzt Hilfe für die Kreativwirtschaft, wir schaffen das nicht allein.“

Auch das für Anfang Mai geplante Gallery Weekend fällt flach. „Das Gallery Weekend wird auf den 11. bis 13. September verschoben. Wir hatten gehofft, im Mai eine kleinere Version durchführen zu können. Das ist mittlerweile unrealistisch“, sagt Maike Cruse, die das Weekend mit über 50 Berliner Top-Galerien seit langem leitet. Aber machen die Sammler das mit?

Noch im Herbst gab es gute Nachrichten für das Gallery Weekend. Das vor 16 Jahren initiierte Wochenende, das bisher komplett von privaten Sponsoren und den Teilnehmern finanziert wurde, soll im Doppelhaushalt 2020/21 erstmals mit 150 000 Euro von der Senatsverwaltung für Wirtschaft unterstützt werden.

Diskussion über zusätzliche Formate

6500 Euro kostet die Teilnahme am Weekend, 4000 Euro zahlen Galerien, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind. Für viele junge Galerien ist selbst das zu viel, wenn sie auch noch an Messen teilnehmen. Das Geld vom Senat sollte jungen Galerien die Teilnahme am prestigeträchtigen Weekend ermöglichen. Dass ausgerechnet das Gallery Weekend Geld bekommt, wurde im gespaltenen Berliner Kunstmarkt kritisch aufgenommen. An dem Event können Galerien nur auf Einladung teilnehmen; wer diesem exklusiven Zirkel nicht an gehört, hat keine Chance auf das Senatsgeld. Die Deutungshoheit darüber, was förderungswürdig ist und was nicht, liegt beim Gallery Weekend. Viele Berliner Galeristen hätten es deshalb lieber gesehen, wenn die herbstliche Berlin Art Week und die Kunstmesse „Positions“ finanziell besser ausgestattet worden wären.

Aber jetzt ist sowieso alles anders. Cruse, die ein Büro mit zwei Mitarbeiterinnen unterhält, bekam bislang zusätzlich Geld von der Kölner Messegesellschaft für ihre Leitung der Kunstmesse „Art Berlin“. Sie wird diesen Herbst nicht wieder in den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhof stattfinden – und mit der Absage durch die Kölner, die die Berliner Messe erst vor drei Jahren übernommen hatten, entstand ein finanzielles Vakuum. Das nun der Senat füllt. „Mit den Geldern vom Wirtschaftssenat und neuen Sponsoren ab 2021 ist es möglich, die Struktur zu halten“, sagt Cruse.

Nun drängeln sich im Herbst viele Events

Schon vor der Coronakrise hatte das Gallery Weekend über eine zusätzliche Veranstaltung für den Herbst nachgedacht. „Wir diskutieren seit Dezember mit dem Wirtschaftssenat und der Berlin Art Week unterschiedliche Formate,“ so Cruse. Nun setzt sich erst einmal das Gallery Weekend auf den Termin. Dafür sei laut Cruse weiteres Geld von der Senatsverwaltung für Wirtschaft nötig und in Aussicht gestellt.

Dennoch birgt dieser Termin viele Unwägbarkeiten. Fast alle Kunstmessen, die aktuell aussetzen, sollen in der zweiten Jahreshälfte nachgeholt werden. So stehen unzählige Events für den Herbst an. Berlins Gallery Weekend hat sich bei den Besuchern als Highlight im Frühjahr etabliert. Ob das so bleibt, wenn alles durcheinanderkommt, weiß niemand. Auch nicht, ob im Herbst wieder geflogen und gereist wird, um die Kunst zu feiern. Vielleicht ist das die Stunde der lokalen Käufer. Maike Cruse: „In dieser Situation sind wir alle gefragt, kleinere Strukturen in der Stadt zu stützen, sei es das Café an der Ecke oder die Galerien und Künstler.“

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