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Staatsoper für alle: Die Publikumsbefragung soll klären, wie die Kultur welche Besucherinnen und Besucher erreicht.

© Jörg Carstensen/dpa

Berlins Kulturinstitutionen: Ab 2020 ausführliche Publikumsbefragungen

Das Publikum, ein unbekanntes Wesen? Berlins Kultur erfährt bald mehr über ihre Besucher. Kultursenator Lederer stellt 2020 dafür 300.000 Euro bereit.

Wer kommt wann, wie oft und warum? Für Museen, Theater und Orchester sind das wichtige Fragen. Auslastungsquoten und Ticketverkaufszahlen zeigen zwar an, welche Projekte in der Praxis Erfolg haben. Doch nur eine vertiefte Befragung der Kunden gibt auch Aufschluss darüber, wer die betreffenden Institutionen bislang (noch) nicht besucht. Beim Blick auf die Altersstruktur und den Bildungsgrad, auf Geschlecht, Wohnort und Häufigkeit der Nutzung können die Museumsleiterinnen und Bühnenchefs dann im Umkehrschluss feststellen, wen sie gezielt ansprechen sollten, um neue Zuschauerschichten zu gewinnen.

Unter dem putzigen Namen „Kulmon“ firmiert seit 2008 ein vom Senat, der Berlin Tourismus Marketing GmbH und dem Zentrum für Audience Development der Freien Universität ins Leben gerufenes Kulturmonitoring-Programm. Ursprünglich aus EU-Mitteln finanziert und mit nur sechs Teilnehmern gestartet, soll die Untersuchung ab 2020 für alle institutionell geförderten Player mit jährlich mehr als 20 000 Besuchern verbindlich sein.

Dafür stehen im kommenden Jahr 300 000 Euro zur Verfügung, 2021 dann sogar 580 000 Euro. Nach dem Auslaufen der EU-Förderung mussten die Institutionen das Geld für "Kulmon" bislang aus ihren eigenen Etats aufbringen, was dazu führte, dass es zu einem häufigen Wechsel der Teilnehmer kam. Das wiederum wirkte sich negativ auf die Vergleichbarkeit der erhobenen Zahlen aus.

Darum schenkt Klaus Lederer den hauptstädtischen Akteuren nun eine regelmäßige Besucherbefragung. Dahinter steckt eine genuin linke Idee: Der Kultursenator möchte die Teilhabe der Gesamtbevölkerung am Genuss des historischen Erbes sowie an den Live-Aufführungen erhöhen. Kultur soll für alle da sein.

Denselben Impetus hat bereits ein 2018 gestartetes Forschungsprojekt mit dem Namen „NichtBesucherinnen- und Nicht-Besucher-Studie“. Über das Melderegister wurden dafür nach dem Zufallsprinzip 23 000 Bürgerinnen und Bürger ausgewählt und angeschrieben. 3500 Fragebögen kamen zurück, erste Ergebnisse sollen im Frühjahr 2020 veröffentlicht werden.

Die Mitarbeiter tippen die Antworten in eigens programmierte Apps

Aus denen kann man dann im Idealfall ableiten, durch welche niedrigschwelligen Angebote sich die bislang abstinenten Bevölkerungsgruppen in die Musentempel und Ausstellungshäuser locken lassen. Indem beispielsweise Barrieren abgebaut werden, derer sich die Anbieter selber gar nicht bewusst waren. Parallel dazu hilft „Kulmon“ den Institutionen, jene Besucher besser kennenzulernen, die sie bereits haben.

Die Datenbasis dafür war schon vor dem Start der stadtweiten Partizipations-Aktion beeindruckend: 320 000 Interviews wurden in diesem Jahr durchgeführt, und zwar face to face.

Die Mitarbeiter tippen die Antworten der Befragten mittels einer eigens programmierten App in Smartphones, sodass alle Informationen zentral zusammenlaufen können. Die Senatsverwaltung hat allerdings nur Zugang zu den Kernfragen. Das von den Institutionen jeweils individuell ausgestaltete „Vertiefungsmodul“ können nur diese selber einsehen. Konsequenzen aus den Erkenntnissen müssen die Theater, Orchester und Museen also jeweils individuell ziehen.

Das Berliner Monitoring macht Schule, es wird jetzt aus dem Ausland angefragt

52 Einrichtungen wird die große "Kulmon"-Offensive ab 2020 umfassen. Kleine Akteure wie die Vaganten Bühne oder das Literaturhaus bekommen dafür einen Senatszuschuss von 4800 Euro pro Jahr, große wie der Friedrichstadt-Palast, die Topographie des Terrors oder die Berliner Philharmoniker bis zu 15 000 Euro. Den größten Batzen braucht mit gut 56 000 Euro im Jahr 2021 die Opernstiftung mit den drei Musiktheatern der Stadt.

Besonders stolz ist man in der Senatskulturverwaltung darauf, dass „Kulmon“ nicht nur bundesweit Aufmerksamkeit erregt hat, sondern sich langsam auch zum Exportartikel entwickelt. In Weimar haben bereits das Goethe- und das Schillerhaus, das Bauhaus-Museum sowie die Anna Amalia Bibliothek das Berliner Angebot eingekauft, Interessensbekundungen gibt es außerdem aus Hamburg, Düsseldorf, München, Nürnberg und Ravensburg.

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