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Grün ist die Hoffnung. Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

©  dpa/Paul Zinken

Berliner Volksbühne: Wie kann es nach Chris Dercon weitergehen?

Intendant oder Intendantin gesucht: Wer soll künftig die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz leiten? Der Personalmarkt ist leer. Aber es fehlt nicht an verrückten Vorschlägen.

Kürzlich beim Movimentos-Festival. Die alles überwölbende Frage stellt sich auch in Wolfsburg: Was wird aus der Volksbühne? In der Autostadt lässt die rettende Idee nicht lang auf sich warten. Volkswagen! Volkswagen übernimmt die Volksbühne und macht in Berlin mit dem großartigen Tanz-Spektakel weiter, das nach fünfzehn Jahren seinen Spielort im VW-Kraftwerk am Mittellandkanal verliert, aus energietechnischen Gründen.

An verrückten Vorschlägen fehlt es jetzt nicht. Berlins Kultursenator Klaus Lederer kann eine eigene Anlaufstelle für all diejenigen einrichten, die etwas zur Zukunft und Rettung der Volksbühne beizutragen haben, ein Volksbürger-Telefon. Der Regisseur Ersan Mondtag hat sich schon gemeldet, er stehe bereit. Vor einem Jahr wollte er – so stand es in dieser Zeitung – die Schaubühne übernehmen. Die Lage ist ernst, der Quatsch blüht.

Aber wollte nicht Chris Dercon bei BMW oder Mercedes Geld auftreiben für sein gescheitertes Tempelhof-Abenteuer? Hat nicht geklappt, wie überhaupt fast nichts funktionierte in den drei Jahren seit seiner Berufung zum Nachfolger von Frank Castorf. Dercon ist seit einer Woche weg, entlassen, und wie das alles kam, konnte man am Freitag noch einmal ausführlich in der „Süddeutschen Zeitung“ nachlesen. Dercon erscheint da einerseits als eiskalter, andererseits etwas blauäugiger Spieler, der an kulturpolitische Anfänger (Tim Renner, Michael Müller) gerät und keine Art findet, mit den alten Volksbühnen-Leuten ins Gespräch zu kommen. Die Idee, dass René Pollesch unter einem Intendanten Dercon die Schauspielsparte hätte leiten können, klingt aus heutiger Sicht immer noch ganz gut. Allein, Pollesch wollte den Job nicht übernehmen. Eine merkwürdige Rolle dabei spielt Marietta Piekenbrock, Dercons Mitstreiterin. Sie will die Probleme früh genug gesehen haben, um das Ganze noch abzublasen. Was nicht geschah. Es nahm seinen Lauf.

Für harte Castorfianer ist Lilienthal zu dicht an Dercon dran

Und jetzt? Versucht der besonnene Interimsintendant Klaus Dörr den Laden zu beruhigen. Dörr könnte länger bleiben, denn wie er und auch Lederer betont, diese Dinge brauchen Zeit. Es ist schlicht kein geeigneter Kandidat, keine viel versprechende Kandidatin sofort frei. Natürlich fällt bei all den Spekulationen der Name Matthias Lilienthal. Er war bis 1998 an der Volksbühne Castorfs Chefdramaturg. Jetzt ist er in München Intendant, 2020 wird er die Kammerspiele wieder verlassen. Und kommt dann nach Berlin zurück?

Für die harten Castorfianer ist Lilienthal zu dicht an Dercon dran; es geht zu wie bei verfeindeten Clans, mit alten Rechnungen und Rachegedanken. Auch die Verhärtung des inneren Castorf-Zirkels hat zur jetzigen Schieflage mit beigetragen. Man wird nach der Erfahrung mit Dercon sicher nicht noch einmal ein Experiment mit einer auswärtigen Persönlichkeit riskieren. Senator Lederer will sich Zeit lassen, denn die sehr schnell erfolgte Trennung von Dercon war nicht nur ein Befreiungsschlag, sondern birgt auch für diesen Kulturpolitiker Risiken.

Die Volksbühne als Groß-Gorki? Shermin Langhoff soll aber schon abgewunken haben. Wenn Lederer sagt, die Volksbühne solle „diverser, weiblicher, jünger werden“, klingt das mehr nach Wahlprogramm als nach der klugen Theaterpolitik, die Berlin nach diesem Fiasko braucht. Läuft es vielleicht auf Amelie Deuflhard hinaus, die Chefin von Kampnagel Hamburg?

Zwei Jahre könnte es dauern, bis eine neue Intendanz kommt. Das hört man häufig. In zwei Jahren wäre Lilienthal frei, aber wohl auch Armin Petras, der nach seiner Stuttgarter Intendanz erst einmal als freier Regisseur arbeiten will. Ach ja: Auch München sucht eine neue Intendanz. Und der Personalmarkt ist ziemlich leer.

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