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Hansjörg Schellenberger ist seit Herbst 2021 Chefdirigent der Berliner Symphoniker.

© Daniel Vass

Berliner Symphoniker: Die Kunst des gemeinsamen Atmens

Bei den Berliner Symphonikern herrscht Aufbruchstimmung. Das ist beim Konzert mit dem neuen Chefdirigenten Hansjörg Schellenberger in der Philharmonie zu hören.

17 Jahre ist es jetzt schon her, dass der Senat den Berliner Symphonikern die staatliche Unterstützung entzogen hat. Dass es das Orchester trotzdem noch gibt, ist zum einen dem Geschick des 2017 verstorbenen Intendanten Jochen Thärichen und seinen Nachfolger:innen zu verdanken, zum anderen aber auch den viele treuen Freunden der Symphoniker. Sie sorgen auch am Sonntag in der Philharmonie wieder für ein fast volles Haus – und für gute Stimmung bei dem nachmittäglichen Programm, das in optimistischer Opposition zur realen Wetterlage den Titel „Herbstlicht“ trägt.

Einen traditionellen Dreiklang aus Ouvertüre, Instrumentalkonzert und Sinfonie hat Schellenberger zusammengestellt, dessen einzige Extravaganz darin besteht, dass Schuberts „Ouvertüre im italienischen Stil“ erst nach der Pause erklingt, weil das Solistenstück zeitlich so ausufernd ist. Es handelt sich um Johannes Brahms’ 40-minütiges Klavierquartett, das hier in einer Bearbeitung für Gil Garburg und Sivan Silver erklingt: Die Pianistin und der Pianist teilen sich vierhändig die Tastatur des Flügels, die Partien von Geige, Bratsche und Cello sind auf ein komplettes Streichorchester ausgeweitet. Der Klangeindruck wird dadurch vielfarbiger, üppiger, den Interpreten gelingt aber dennoch eine intime, kammermusikalische Kommunikation. Gemeinsam wandeln sie durch die Weiten des Werkes wie durch elysische Felder – in fester Gewissheit, auf dem rechten Weg zu sein. An Ende winkt ein ungarisches Tanzvergnügen, in ausgelassen magyarischer Heiterkeit, wie so oft bei Brahms.

Schellenberger dirigiert mit expressiver Gestik

Schellenberger, der in erster Karriere ja ein weltweit gefragter Oboist und herausragendes Mitglied der Berliner Philharmoniker war, weiß als Holzbläser, wie wichtig das gemeinsame Atmen ist, damit das Zusammenspiel in großer Runde gelingt. In der „tragischen“ Sinfonie von Schubert vermittelt er den Berliner Symphonikern diese Tugend mit expressiver Gestik. Überzeugend baut er die lauernde Spannung zu Beginn des 1. Satzes auf, so dass sich das Hauptthema ohne Druck und übergroßes Pathos entladen kann. Schlicht und sanglich will er das „Intermezzo“, rustikal geht es im „Andante con moto“ zu, lediglich das Finale gerät streckenweise etwas zu pauschal.

Da könnte sich, nach zwei chefdirigentenlosen Jahren, eine gute neue Beziehung aufbauen. Schade nur, dass Schellenberger dann doch nicht so viel Zeit für „seine“ Symphoniker übrig hat: Bis zum Ende der Saison jedenfalls taucht sein Name in der Vorschau des Orchesters nicht mehr auf.

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