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Die Kehrseite. Das Schloss von Südosten aus betrachtet. Architekt Franco Stella hat die zur Spree gerichtete Front entworfen. Die Fassade wird nicht aus Sandstein, sondern aus Architekturbeton gebaut. Der Werkstoff kam auch bei den Dorotheenblöcken im Regierungsviertel sowie beim Neubau des Umweltministeriums zum Einsatz.

© Illustration: Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum

Berliner Stadtschloss-Debatte: Leerstellen, Lückenbüßer

Die Winterferien sind vorbei, die Schonzeit beendet. Christina Tilmann läuft sich warm für die nächste Schlossdebatte.

Nachdem die Stiftung Humboldt-Forum Berlin kurz vor dem Jahreswechsel mit Martin Heller einen Interims-Intendanten für die Agora, den künftigen Veranstaltungsbereich präsentiert hat, meldet sich nun die Fachwelt zu Wort: mit Kritik. Der Frankfurter Ethnologe Karl-Heinz Kohl, wirft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der „FAZ“ Versagen auf ganzer Front vor. Die einzigartige Chance, am Schlossplatz nicht nur die Bestände der Dahlemer Museen in neuer Form, sondern überhaupt einen neuen Blick auf die Ethnologie zu präsentieren, werde von den Museumsfachleuten derzeit verspielt, so Kohl. „Was den Beitrag der Ethnologie anlangt, stellt sich die bald neunjährige Geschichte des Humboldt-Forums als eine einzige Abfolge von Desastern dar.“

Stiftungs-Präsident Hermann Parzinger nimmt seine Mitarbeiter in Schutz: „Die Fachleute des Ethnologischen Museums sind in innovative Forschungsprojekte eingebunden, sind weltweit vernetzt und haben in den letzten Jahren höchst erfolgreiche Ausstellungen durchgeführt, etwa über Kunst aus Afrika, Benin und zuletzt Voodoo. Ich wüsste niemanden, der aus der tiefen Kenntnis der Objekte heraus besser geeignet wäre, in internationaler Kooperation eine Neuaufstellung der Dahlemer Sammlungen zu konzipieren.“

Wahr ist: Ein überzeugendes Konzept, was die künftige Museumspräsentation betrifft, gibt es bisher nicht. Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums, hat seit 2008 Ideen in der Schublade liegen und wartet darauf, sie einer Expertenrunde vorstellen zu können: Ein für 2010 geplanter Expertenworkshop wurde vertagt, als bekannt wurde, dass der Baubeginn des Humboldt-Forums aus Spargründen verschoben wird. Nun soll im April eine „hochrangig besetzte Arbeitstagung mit Ethnologen und Museumsfachleuten aus aller Welt“ stattfinden, kündigt Parzinger an. Das Konzept soll dann überarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das kann bis in den Herbst dauern.

Was bislang als Probelauf zum Humboldt-Forum präsentiert wurde, stimmt wenig optimistisch. Es gab die „Tropen“-Ausstellung 2008 im Gropius-Bau, an die sich Berlin mit Beständen der Dahlemer Museen anhängte, um die von langer Hand geplante Ausstellung als Vorläufer zum Humboldt-Forum verkaufen zu können. Es folgte die von der Stiftung konzipierte Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ im Alten Museum, die die Heterogenität der beteiligten Institutionen (Museen, Humboldt-Uni, Forschungsinstitute) widerspiegelte: Der Museumspart mit dem Schnelldurchlauf durch die Kontinente überzeugte am wenigsten. Auch Aktivitäten des Haus der Kulturen der Welt werden gern als Exempel für künftige Humboldt-Forum-Aktivitäten angeführt – als ob alles, was derzeit in Berlin zum Thema außereuropäische Kulturen stattfindet, als Ersatz für das fehlende Konzept der Staatlichen Museen dienen könnte.

Kritik am Museumsstandort Mitte kommt auch aus ganz anderer Richtung. Der vom verstorbenen Architekten Oswald Mathias Ungers geplante Umbau des Pergamon-Museums wird in der „Zeit“ attackiert: Mit radikalen Eingriffen werde die noch vorhandene Originalsubstanz zerstört und einer der wichtigsten Museumsbauten auf Massentourismus getrimmt, so der Kritiker und PergamonFachmann Nikolaus Bernau. Einziger Trost: Der immer wieder verschobene Termin der Fertigstellung (aktuell ist von 2025 die Rede) und die ständig steigenden prognostizierten Baukosten (aktuell 384 Millionen Euro) lasssen viel Zeit für Diskussion und Korrekturen. Dass sich auch die Fertigstellung des Schlosses mit dem Humboldt-Forum auf 2018/19 verschiebt – vielleicht ist es ein Glück. Bis dahin sollte ein vernünftiges Konzept zu stemmen sein. Eine öffentliche Diskussion ist dafür die erste Bedingung.

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