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Kämpferisch. Die 30-jährige Jadu wuchs in der niedersächsischen Provinz auf und kam mit 19 Jahren nach Berlin.

©  I Am Johannes

Berliner Sängerin Jadu: Liebe ist ein Schlachtfeld

Die Berliner Musikerin Jadu und ihr Debütalbum „Nachricht vom Feind“, das martialische Sprachbilder mit hartem Sound kombiniert.

Die Geschichte mit der Bundeswehr. Irgendwie tut man sich schwer, sie mit dieser zierlichen Frau in Verbindung zu bringen, die an einem sonnig kühlen Vormittag in einem altmodisch eingerichteten Kreuzberger Café sitzt. Schmale Schultern, wilde Locken, schwarz gerahmte Augen. Dazu ein sorgfältig abgestimmtes Outfit aus eleganter Bluse und enger Hose. Knapp anderthalb Stunden läuft das Gespräch bereits, da erzählt Jadu Laciny von einem Militärcamp, das sie im vergangenen Herbst absolviert hat. Einfach so, wie sie sagt. Aus Interesse. Eine Woche lang schlief sie im Zelt, stand morgens um fünf auf, schlug sich mit Kompass und Karte durch einen Wald bei Berlin. Und das alles, um ihre Grenzen auszutesten.

Beiläufig und unaufgeregt erzählt Jadu Laciny von diesem Trainingscamp, einer Art Schnupperkurs der Bundeswehr. Von den Kameraden in ihrer Truppe, die noch keine 20 waren und zwischen denen sie sich mit ihren 30 Jahren wie „die Mutti“ gefühlt habe. Von der Erfahrung, welche Reserven der Körper zu mobilisieren im Stande ist, selbst wenn er droht, schlapp zu machen. Alles eine Kopfsache, so ihr Fazit. Mit dieser Erkenntnis fuhr sie anschließend heim nach Berlin, um sich mit neuem Elan an die Fertigstellung ihres Debütalbums zu machen.

Jadu singt über Hitler und Eva Braun

„Nachricht vom Feind“ lautet der Titel der Platte, die gerade erschienen ist. Auf dem Cover trägt die Musikerin eine Schiebermütze zu schwarzen Handschuhen. Sie steht in einer apokalyptischen Kulisse aus eingestürzten Mauern und Stacheldraht. Am Himmel kreisen Flugzeuge, ihr Name in Frakturschrift wird von einem Fadenkreuz anvisiert. Alles ziemlich düster, martialisch, irritierend. Und das soll so sein. Denn auch die Songs schlagen mit Titeln wie „Feldzug Berlin“, „Blitzkrieg“ oder „Todesstreifen“ in die gleiche Kerbe.

Da ist von Stiefeln auf Asphalt die Rede und von Morgensternketten; Jadu hält eine Eloge auf die Uniform und scheut sich auch nicht, über die Beziehung von Eva Braun und Adolf Hitler zu singen. Für sie ist das scheinbar nicht abwegig. Gerade in Zeiten wie diesen. Nur wer dem Grauen der Geschichte ins Auge blickt, so die implizite Botschaft des Stückes „Sirenen und Wagner“, erkennt die Gefahren von Naivität und bedingungsloser Folgsamkeit.

Das Album, sagt die Sängerin, stelle das Thema Liebe mit allen ihren Facetten in den Mittelpunkt. Nur, dass ihre Texte nicht betören, sondern brachiale Ansagen machen und verstörende Einblicke geben. „Love is a battlefield“ sang Pat Benatar bereits Anfang der 80er Jahre. Daran, dass die Liebe ein Schlachtfeld ist, scheint sich bis heute wenig geändert zu haben.

Rassistische Bemerkungen gehörten zum Alltag

Auf „Nachricht vom Feind“ geht es um häusliche Gewalt, Depressionen und Fetisch-Fantasien. Beziehung als ein einziger Kampf, der sich gut in Armeerhetorik und Kriegsmetaphern packen lässt, weil diese Bilder am ehesten zu den Erfahrungen passen, die Jadu Laciny selbst gemacht hat. Ehrliche Seelenschau oder kalkulierte Provokation? Vielleicht von beidem ein bisschen. In „Feldzug Berlin“ beschreibt sich Jadu als „kleines Mädchen aus dem Teutoburger Wald / für die meisten eine finstere Gestalt“. Unterlegt ist das Ganze mal mit krachendem Industrial-Rock, mal mit Streichern und Bläsern. Entfernt erinnert das an Rammstein oder Marilyn Manson.

Das verwundert nicht, denn deren Musik hörte Jadu Laciny als Jugendliche tatsächlich gerne – und musste sich wegen ihrer Hautfarbe oft dafür rechtfertigen. Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater kommt aus Kentucky. Da müsste sie – so das Klischee – doch eigentlich auf Hip- Hop stehen. Tat sie aber nicht. Nur, dass das im niedersächsischen Bad Essen, wo Jadu aufgewachsen ist und neben ihrer Schwester das einzige afrodeutsche Mädchen weit und breit war, niemanden interessierte. Vorurteile und rassistische Bemerkungen gehörten zum Alltag – im Matheunterricht ließ der Lehrer ungeniert das N-Wort fallen.

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Jadu schmeißt kurzerhand die Schule und absolviert eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Nebenbei lernt sie Gitarre und Schlagzeug zu spielen, macht mit Freunden in kleinen Bands Musik. Mit 19 verlässt sie Niedersachsen, weil ihr Herz stärker für die Musik schlägt als für den Einzelhandel. Sie nimmt sich eine kleine Wohnung in Prenzlauer Berg und lebt sich schnell ein. „Mir hat das Gefühl gefallen, eine von vielen zu sein. Endlich mal nicht angeglotzt zu werden.“

Sie probiert sich als Model und Schauspielerin, lernt über ihre Schwester den Rapper Chefket kennen, den sie als Instrumentalistin begleitet. „Ich fand das, was er macht, echt spannend, deshalb wollte ich in seiner Band spielen.“ Nebenbei arbeitet sie als Immobilienmaklerin, schreibt eigene Songs, lernt ihren späteren Ehemann kennen, den Rapper Marteria. Eins fügt sich zum anderen? Liegt nahe, ist aber nicht so. Im Frühjahr 2017 veröffentlicht Jadu ihre erste Single „Treibjagd“ und offenbart im dazugehörigen Video bereits ihre Entschlossenheit. Schäferhunde hetzen durch den Wald, ein Horn bläst zum Halali. Sie selbst begibt sich als zielsichere Schützin auf die Jagd nach Männern. Ihre Opfer bringt sie nicht mit den sprichwörtlichen Waffen einer Frau zur Strecke, sondern mit dem Gewehr. In einer Zeile heißt es: „Dein Kopf schmückt als Trophäe meine Wand“.

Mit einer Freundin gründete Jadu ein Label

Den Plattenfirmen, bei denen Jadu anklopft, ist das nicht massentauglich genug. Sie lehnen ab, trotz des prominenten Nachnamens. Doch davon lässt sich die Musikerin nicht beirren. Mit einer Freundin gründet sie ein Label, um sich für niemanden verbiegen zu müssen. „Ich halte wenig davon, sich in ein Korsett zu zwängen. So was geht irgendwann nach hinten los“, sagt sie. Immerhin kann sie sich jetzt für ihre Einzigartigkeit rühmen: In der deutschen Musiklandschaft gibt es eine Künstlerin wie Jadu bislang nicht.

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Ob sie sich wegen ihr Texte als Feministin sieht? Jadu Laciny überlegt nicht lange, bevor sie antwortet. „Ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Für mich ist es vielmehr eine Selbstverständlichkeit, mich als Frau auf diese Weise ausdrücken zu können.“ Genauso selbstverständlich war es für sie am Ende ihres einwöchigen Bundeswehr-Trainingscamps offenbar auch, nein zu sagen, als man sie fragte, ob sie eine Offizierslaufbahn einschlagen wolle. Jadu lehnte freundlich aber entschieden ab. Wenn es mit der Musik nicht klappt, sagt sie, könne sie sich das immer noch mal überlegen. Jetzt geht sie aber erst mal auf Tour.

„Nachricht vom Feind“ ist bei Deserteur/Groove Attack erschienen. Konzert: Lido, 24. März, 20 Uhr

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