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Vintage-Fans. Die Kadavar-Mitglieder Christoph "Tiger" Bartelt, Simon Bouteloup und Christoph "Lupus" Lindemann sind optisch und akustisch von den Siebzigern beeinflusst.

© Nuclear Blast

Berliner Rockband Kadavar: Von der Theke in die weite Welt

Die Berliner Band Kadavar mischt harten Rock mit Psychedelic und Pop. Damit ist sie auch international erfolgreich. Ein Treffen.

In der Kneipe hat man oft die interessantesten Gespräche. Ob große Politik oder die Geschichten eines alten Stammgasts – irgendwas gibt es immer zu besprechen. Auch Musik oder die eigene Band sind gute Themen. Die Berliner Rockband Kadavar ist unter anderem durch Kneipengespräche berühmt geworden. Christoph „Lupus“ Lindemann, Sänger und Gitarrist bei Kadavar, arbeitete vor ein paar Jahren in der 8mm-Bar in Mitte, der damalige Bassist Philipp Lippitz hatte eine eigene Kneipe in Prenzlauer Berg. „Wir haben einfach jedem, der es hören wollte – und allen anderen auch – von unserer Band erzählt, während wir ihnen Bier ausgeschenkt haben“, erzählt Lindemann beim Gespräch in der Ankerklause.

Diese Art der Werbung erwies sich als äußerst effektiv, als Kadavar 2012 ihr Debütalbum herausbrachten. Am Veröffentlichungstag stand die Band nämlich vor einem Problem, das viele andere Musiker gerne hätten: Ihr Album war durch Vorbestellungen schon komplett ausverkauft. So startete der Aufstieg der drei immer makellos in Vintage-Klamotten gekleideten Musiker.

Auf den Bandnamen kamen sie in einer durchzechten Nacht

Getroffen haben sich Lindemann, Lippitz und Schlagzeuger Christoph „Tiger“ Bartelt über Bekannte aus dem Berliner Nachtleben – wieder die Kneipe als Ausgangspunkt. „Wir sind alle vor ungefähr zwölf Jahren nach Berlin gezogen“, sagt Bartelt, der in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist. „Berlin war für uns schon lange Sehnsuchtsort, auch musikalisch.“ Der aus Thüringen stammende Lindemann hatte pragmatischere Gründe für seinen Umzug: „Ich wäre sonst wie meine Freunde in der Fabrik am Band geendet.“

Den Namen für die bald nach dem ersten Treffen 2010 gegründete Band fanden sie abermals in einer durchzechten Nacht. Ein einziges Wort sollte es sein, deutsch, aber international verständlich. Kadaver! Als ein Freund ihnen ein Logo erstellte, fiel ihnen auf, dass es mit drei As besser aussah – und auch ein bisschen „böser“.

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Nach einigen Jahren in Prenzlauer Berg und Kreuzberg ist Neukölln nun zum Lebensmittelpunkt der Gruppe geworden. Das ist auch eine Reaktion auf die Veränderungen in Berlin: „Neukölln ist der einzige Ort, bei dem wir dachten: Hier ist noch Platz, hier kann man die Stadt noch formen“, erklärt Lindemann. Aber nicht alles, was sich in Berlin ändert, sei schlecht, beeilt er sich hinzuzufügen. Der Zuzug vieler Menschen von überall her habe beispielsweise das Interesse und das Angebot an Musik in Berlin erweitert.

Kadavar sind das beste Beispiel dafür: Ihre Wahlheimat ist eine wichtige Inspiration für die Band, ihr drittes Album nannten sie deshalb schlicht „Berlin“. Bartelt beschreibt den „Berlin-Effekt“ so: „Der Puls der Großstadt lässt einen glauben, dass man mit seiner Musik etwas erreichen kann.“

Das haben Kadavar auf jeden Fall – auch international. Ihre aktuelle Tour führt sie unter anderem nach Skandinavien, Frankreich und Spanien. Auch in die USA waren sie schon eingeladen, was nur wenigen deutschen Bands gelingt. Bekannt wurden sie jenseits des Atlantiks, weil ihre Musik in den populären Skateboard-Videos des „Thrasher“-Magazins verwendet wurde – eine Szene, mit der das Trio vorher nichts zu tun hatte. Schlagzeuger Bartelt glaubt, dass gerade der genreübergreifende Appeal ihrer Musik – der Sound ist zu dünn für Metal, die Gitarre aber zu verzerrt für Blues – für den Erfolg der Band verantwortlich ist. „Bei unseren Konzerten kommen verschiedene Szenen zusammen: Blues, Stoner, Metal. Jeder kann sich etwas herauspicken.“

Sie werden immer wieder mit Black Sabbath verglichen

Trotz dieser verschiedenen Einflüsse fällt ein Name immer wieder, wenn über Kadavar geschrieben wird: Black Sabbath. Die Band sieht die englischen Heavy-Metal- Pioniere durchaus als Inspiration, aber vor allem zu Beginn waren die drei Musiker genervt von dieser eindimensionalen Einschätzung. „Wir sehen das mittlerweile ganz entspannt“, lacht Christoph Lindemann. „Schwierig wird es nur, wenn unsere Kunst nicht mehr als etwas Eigenes gesehen wird.“

Wenn man Kadavars Musik hört, stellt man schnell fest, dass die Vergleiche mit Black Sabbath nicht aus dem Nichts kommen – sie greifen nur viel zu kurz. Die Berliner sind keineswegs in den Siebzigern hängengeblieben, auch wenn ihre Klamotten so aussehen. In ihrer Musik trifft die Schwere des Doom Metal auf verspielte Psychedelik, immer wieder schälen sich extrem eingängige Pop-Melodien aus den verzerrten Gitarren. Dieses Melodiegefühl sorgt dafür, dass einem ein anderer Name der Frühzeit der Rockmusik in den Sinn kommt – die Beatles.

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Nicht von ungefähr: Christoph Bartelt war lange Zeit erklärter Beatles-Fanatiker. „Ich habe praktisch nichts anderes gehört, konnte jeden Song auswendig“, so Bartelt. Als er vor acht Jahren seine Bandkollegen traf, änderte sich das. Aus den sehr unterschiedlichen Musikvorlieben der Bandmitglieder entstand mehr oder weniger organisch der Bandsound, die einzige Konstante ist die gemeinsame Liebe zu alten Aufnahmen.

Diese Liebe spiegelt sich auch in der Art, wie Kadavar ihre Musik aufnehmen. Möglichst viel wird analog und live eingespielt, sie benutzen viel Vintage-Equipment. Es gehe dabei nicht um das Nachbilden des Sounds der Platten von damals, erklärt Bartelt, der Grund ist viel pragmatischer: „Die alten Instrumente sind einfach besser als die, die heute hergestellt werden“, sagt der Schlagzeuger.

Gerade ist ihr zweites Live-Album erschienen

Der Erfolg gibt ihnen recht: Vier Alben haben Kadavar nach diesem Prinzip veröffentlicht. Auf den letzten beiden spielte der Franzose Simon Bouteloup Bass, nachdem Philipp Lippitz die Band 2013 verlassen hatte. Vor zwei Wochen ist nun ihr schon zweites Live-Album erschienen. Recht ungewöhnlich für eine Band mit einer erst achtjährigen Geschichte. Christoph Bartelt grinst: „Wir sehen das einfach als Gimmick, als Angebot an alle, die das interessiert.“ Sie wollen es nicht als vollwertiges Album verstanden wissen, fügt Christoph Lindemann hinzu. „Viele Leute sagen, dass wir live sehr anders klingen als auf Platte – so können sie uns auch live zu Hause hören.“

Zu Hause live – das sind Kadaver am Samstag im Festsaal Kreuzberg. Letztes Jahr fand ihr Heimspiel in der Columbiahalle statt, jetzt wird es also fast ein Wohnzimmer-Konzert. Mit Zimmerlautstärke ist allerdings nicht zu rechnen.
Konzert: Festsaal Kreuzberg, 27.10., 20 Uhr

Elias Pietsch

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