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Die inklusive Band 21 Downbeat ist beim Pop-Kultur-Festival dabei.

© Andi Weiland

Berliner Pop-Kultur-Festival 2021: „Beim Musikmachen gehört der Rollstuhl dazu“

Das Berliner Pop-Kultur-Festival findet wieder live in der Kulturbrauerei statt – es wird ein Heimspiel für die inklusive Band 21 Downbeat.

Auf dem Gelände der Kulturbrauerei herrscht reges Treiben. In einer Promoaktion verteilt ein Süßwarenhersteller Eis, auf das sich Passant:innen wie Schauspieler:innen dankbar stürzen. Darunter auch Mitglieder der inklusiven Band 21 Downbeat. Ihr Haustheater, das RambaZamba, hat gerade geprobt. Verlässt man die kühle Bühne, schlägt die Hitze unbarmherzig zu. Noch ist Sommer in Berlin und trotz steigender Inzidenzen finden Kulturveranstaltungen wieder live statt.

So geht auch das Pop-Kultur-Festival in die sechste Runde. Mit Outdoor-, Indoor- und Online-Veranstaltungen bietet es das gewohnt umfangreiche Angebot an Musik, Lesungen, Talks und Workshops. Zeitgleich findet das Performance-Festival Studio 21 des Theaters RambaZamba statt. Durch die Kooperation soll inklusiver Kunst Raum gegeben werden.

Mit ihren von Funk, Hip-Hop-Einflüssen und elektronischer Tanzmusik geprägten Songs ist auch die Band 21 Downbeat dabei. Es ist ihr dritter Auftritt auf dem Festival, doch das erste Mal, dass nur die Musiker:innen auf der Bühne stehen. 21 Downbeat besteht aus den RambaZamba Schauspieler:innen Hieu Pham, Moritz Höhne, Eva Fuchs und Heiko Fechner, unter der musikalischen Leitung von Leo Solter. Es ist der erste Auftritt vor Publikum seit dem Beginn der Pandemie – sie stellen dabei auch ihre Debüt-EP vor.

Vier Songs umfasst „Dusche“, die gleichnamige Single ist der unangefochtene Lieblingssong der Band. Keyboarder Heiko Fechner erklärt: „‚Dusche' geht richtig los und der Beat ist zackig.“ Nickend fängt Sängerin Eva Fuchs an, die Melodie zu summen.

Die EP klingt futuristisch. Mit dem monotonen, mehrstimmigen Gesang erinnern die Songs an Peter Schillings „Major Tom“ oder Kraftwerk. Doch im Gegensatz zu den „Mensch-Maschinen“ wollen 21 Downbeat nicht wie regungslose Roboter ihre Songs herunterspielen. Der Spaß steht live im Vordergrund. „Die Sachen sind so gearbeitet, dass wir immer ein Sicherheitsnetz haben. Falls sich jemand verspielt, bricht nicht der ganze Abend zusammen“, betont Leo Solter.

Er leitet die Band und komponiert mit Pham, Fuchs, Fechner und Höhne die Songs. Auf Grundlage lyrischer Texte der japanischen Schriftstellerin Yoko Tawada ist so auch die EP mit dem Technolabel Keller Records entstanden. „Ich liefere das Gerüst, auf dem die anderen Bandmitglieder dann turnen und glänzen können“, erklärt Solter. Dass die fünf eingespielt sind, merkt man. Fechner erklärt die Symbiose so: „Ich spiele Keyboard und pass' mich der Musik von Leo an.“ Solter erwidert: „Und meine Musik passt sich dem an, was du spielen kannst.“ Ein kollektives Lächeln geht durch die Runde. Die Band sitzt auf einer Treppe der Kulturbrauerei, Fechner im Rollstuhl daneben.

Bloß bei einer Frage sind sich alle uneins: Seit wann gibt es uns denn nun? Fest steht, dass die Idee von Jacob Höhne stammt, dem Bruder von Drummer Moritz Höhne. Das RambaZamba Theater wollte vor vier oder fünf Jahren auch musikalisch in Erscheinung treten. Seitdem existiert die Formation. Moritz Höhne, Sängerin Hieu Pham und Leo Solter sind Gründungsmitglieder. Später stießen Eva Fuchs und Heiko Fechner dazu. Fuchs ist noch immer enthusiastisch, wenn sie sich an die Anfrage erinnert: „Ich habe sofort ,Ja’ gesagt, weil ich Musik liebe. Deswegen würde ich gerne für immer mit Leo zusammenarbeiten, es macht einfach nur Spaß.“ Das bewies die Band live schon auf der Fête de la Musique, der Fusion und in der Kantine am Berghain.

Neben ihrem Musiker:innendasein bei 21 Downbeat stehen Teile der Band auch in Inszenierungen von RambaZamba auf der Bühne. Gegründet wurde das Theater 1990, damals noch als Kunstwerkstatt Sonnenuhr e.V., von Gisela Höhne und Klaus Erforth für ihren Sohn Moritz Höhne. Es sollte ein Raum sein, an dem sich Menschen mit Behinderung künstlerisch frei entfalten können. Etwas, das weder in der ehemaligen DDR noch heute selbstverständlich ist.

Solter sieht die Arbeit als „qualitativ hochwertiges Kulturprogramm – nicht nur so alibimäßig. Es ist wichtig, dass sich nicht nur damit geschmückt wird, sondern, dass man wirklich mit den Menschen und ihrem künstlerischen Input arbeitet.“

Für Keyboarder Fechner steht ohnehin fest: „Beim Musikmachen gehört der Rollstuhl dazu. Niemand kann mir reinreden, nur vielleicht noch was beibringen. Musik ist mein Medium.“ Der Mamma- Mia-Sticker auf Fechners Speichenschutz bekräftigt seine Worte. Die Abhängigkeit vom Rollstuhl sieht er keineswegs als Nachteil. Während seine Bandkolleg:innen bei dem Gedanken nervös werden, dass das Publikum aufgrund der Schutzmaßnahmen sitzt, bleibt Fechner gelassen: „Man kann auch im Sitzen Spaß haben, die Hände heben und jubeln.“ .

Privat haben die Bandmitglieder durchaus schon negative Erfahrungen gemacht. „Ich werde schon manchmal angemopst“, sagt Sängerin Eva Fuchs. „Entweder man mag mich eben oder man mag mich nicht. Ich gebe da eigentlich einen scheiß drauf, weil ich bin, so wie ich bin“. Mehr Punkrock-Attitüde geht kaum. Fechner nickt: „Die Welt ist bunt und flexibel, wenn ein Mensch das nicht ist, tut er mir leid.“

Ihre ekstatische Show werden 21 Downbeat am Freitagabend auf die Bühne des Pop-Kultur-Festivals bringen. Mit ihrer EP erobern sie schon jetzt die Wohnzimmer der Menschen.

Pop-Kultur 2021 vom 25. - 28. August 2021, Kulturbrauerei, Tagestickets online unter https://pop-kultur-berlin.reservix.de/events

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