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Vasily Petrenko

© Mark McNulty

Berliner Philharmoniker: Spiel, Satz und Sieg

Zwei Debütanten an einem Abend: Vasily Petrenko und Michael Barenboim treten erstmals bei den Berliner Philharmonikern auf.

Seine Körpersprache ist reine Dynamik: Vasily Petrenko, nicht verwandt mit dem künftigen Philharmonikerchef, dirigiert, als hätte er vier Arme, weit ausladend, bereit zum Abheben. Was bei anderen Pultmeistern schnell ein heilloses Durcheinander ergeben könnte, stiftet bei dem 42-jährigen St. Petersburger, der aussieht wie 32, keine Verwirrung. Es bleibt elegant, die Berliner Philharmoniker lassen sich in Schuberts „Rosamunde“-Ouvertüre vom Spirit gerne anstecken. Das Stück von 1820 hat eine komplizierte Entstehungsgeschichte, wurde erst einem ganz anderen Bühnenwerk vorangestellt, geht noch dazu auf Musik von 1817 zurück. Schubert eiferte in jenen Jahren dem erfolgreichen Rossini nach, was sich natürlich in soghaften Crescendi niederschlägt, die sich abwechseln mit lyrischen und schicksalsbeladenen dramatischen Passagen. Petrenko sendet energetische Feuerstöße ins Orchester, man darf mutmaßen, dass das bei Zubin Mehta, für den er einspringt, ein gutes Stück abgeklärter, philosophischer geklungen hätte.

Wie Petrenko gibt auch Michael Barenboim, Sohn des Staatskapellenchefs, sein Debüt bei den Philharmonikern,  mit Schönbergs Violinkonzert. Ein wahnsinnig schweres Stück, voller Doppelgriffe und Flageoletttönen, basierend natürlich auf einer Zwölftonreihe. Man muss das so lyrisch und sinnlich spielen wie möglich, den Brahms in Schönberg hervorkitzeln. Barenboim lässt sich vor allem im ersten Satz noch zu sehr unterbuttern vom Riesenorchester, krasse dynamische Unterschiede klaffen zwischen Solo und Tutti. Und Petrenko steuert nicht gegen, sorgt nicht für Ausgleich und Annäherung. Erst spät erobert sich Barenboim seinen Raum, schafft mit mal seidigem, mal kratzbürstigem Strich Momente herber Sinnlichkeit. Und bleibt doch insgesamt zu sehr aufs Technische konzentriert, schraubt sich in einsame Virtuosität hinein, aber lässt nicht wirklich los. Das ungebändigte Pathos, es bleibt gezügelt.

Zerdrückt von der eigenen Pracht

Schubert, Schönberg – und Ravel: Das Programm gibt sich ziemlich heterogen, Zusammenhänge liegen nicht an der Oberfläche, was ja auch mal erfrischend sein kann. „La Valse“ ist Satire des Walzers und Hommage an ihn, allerdings weniger wienerisch-bösartig als bei Mahler. Harfe, Pauke und Streicher bilden einen Urgrund, aus dem sich der Tanzrhythmus herausschält. Petrenko entfesselt die volle Klangmacht der Philharmoniker, eine tönende Masse, die sich nach und nach auf die finale Katastrophe zurobbt – in der sie schließlich von ihrer eigenen Pracht zerdrückt, zerquetscht wird, während im Schlagwerk das Tamtam infernalisch brüllt. Was für ein Gegensatz zur 2. Orchestersuite aus „Daphnis et Chloé“, zehn Jahre früher entstanden. Antike Schäferdichtung, in irisierende, bukolische Musik gekleidet, Impressionismus pur, mit Fortissimi wie zerspringendes Glas und einem langen, klangschönen Flötensolo von Mathieu Dufour. Petrenko wagt viel, schießt auch mal übers Ziel hinaus, aber reckt zum finalen Akkord kämpferisch die Faust. Sieg errungen.

noch einmal an diesem Samstag, 17. 2., 19 Uhr, Philharmonie

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