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Der junge koreanische Pianist Seong-Jin Cho debütierte bei den Philharmonikern.

© Harald Hoffmann/DG

Berliner Philharmoniker: Die Unbarmherzigen

Die Berliner Philharmoniker spielen Strauss und Brahms mit beinahe rüder Massivität. Der junge koreanische Pianist Seong-Jin Cho schlägt bei seinem Debüt unter Rattle andere Töne an.

Unwirsch stürzen sich Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker in Richard Strauss’ Tondichtung „Don Juan“. Eine rüde Attacke, bei der Etliches verrutscht, egal, jeder Einwand wird sofort überrannt. Betörung, Verführung? Keine Spur. Hier tritt ein Machtmensch auf, einer, der kein Nein kennt. Die grüblerischen, zweifelnden Passagen mit Harfe und zart verwischten Streicherarpeggien klingen kaum glaubwürdig bei soviel hohem Bogendruck. Und die Erschöpfung am Ende könnte zwar einer zwingenden Logik folgen, sie zerfasert jedoch.

Brahms’ Vierte Symphonie fasst Rattle nach der Pause genauso unbarmherzig an. Mit inniger Wärme tragen die Streicher das Seufzerthema des Kopfsatzes vor, aber sobald es sich verästelt, stellt sich wieder forsche Unruhe ein. Nichts gegen einen harten Zugriff, vielleicht ist es in diesen Zeiten ja angebracht, der Spätromantik jedes falsche Sentiment auszutreiben. Aber warum permanent überlaut, forciert, breit ausgepinselt?

Bei immergleichen starken Mittelstimmen und dunkler Gesamtfärbung verzichten der bald aus Berlin scheidende Maestro und die Philharmoniker auf jede Binnendifferenzierung, die einzelne Stimmen und Instrumentengruppen dort hervortreten ließe, wo die Partitur es verlangt. Im Andante gerät das Pizzicato der Geigen zu laut, schade für den bestens disponierten neuen Solohornisten David Cooper, für Klarinette und Fagott. Wenigstens dem Allegro giocoso steht die kräftig pulsierende Geschäftigkeit halbwegs gut an.

Seong-Jin Cho spielt Debussy als Zugabe - superb

Was ist mit den Berliner Philharmonikern los? Sie gehen jetzt auf Asientournee, mit diesem und anderen Programmen, haben also reichlich Gelegenheit, ihre ja nicht uninteressante Strategie der Ernüchterung zu verfeinern. Ebenfalls mit auf Reisen geht der gerade mal 23-jährige Pianist Seong-Jin Cho, der in Ravels Klavierkonzert G-Dur für Lang Lang einspringt – der Star muss bekanntlich wegen einer Sehnenentzündung bis nächsten Sommer pausieren.

Seong-Jin Cho, Gewinner des Warschauer Chopin-Wettbewerbs 2015, ist eine Entdeckung. Ravels Mischung aus Gershwin-Jazz, Strawinsky-Wucht und Satie-Humor begegnet er mit mühelosen Stimmungswechseln, mal sportlich, mal versonnen, mit präzise sich vertrudelnden Läufen. Im Adagio legt er die schlichte Melodie etwas zu gestochen über die Begleitfiguren, vor allem jedoch wünschte man ihm ein nuancierteres Orchester, das sich auch mal zurücknimmt. Mit „Reflets dans l’eau“ aus Debussys „Images“ als Zugabe bezwingt er den Saal. Perlende Läufe, ein spinnwebfeiner Schluss – Riesenapplaus.

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