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Alban Gerhardt

© promo

Berliner Philharmoniker: Der schwarze Schwan und der Bergkönig

Wo die Trolle tanzen: Die Berliner Philharmoniker reisen mit Dirigent Sakari Oramo nach Norwegen und Finnland.

Zweimal in den Norden und einmal in den Süden weist das Programm der Berliner Philharmoniker am Donnerstag Abend. Das heißt, in den wirklich ganz tiefen Süden, nach Australien nämlich, das ja, weil auf der Südhalbkugel alles umgedreht ist, in gewisser Weise auch schon wieder im Norden liegt. Eine stimmige Kombination also. Und mit dem Finnen Sakari Oramo, Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra und einst Nachfolger von Simon Rattle in Birmingham, steht ein ausgewiesener Kenner nordischen Repertoires am Pult der Philharmonie.

Von Edvard Grieg ausgerechnet die „Peer Gynt“-Suite (Teil 1) zu spielen, hat ein Geschmäckle. Einerseits sind die vier Stücke natürlich rasend populär, andererseits hat Grieg auch andere tolle Sachen geschrieben, die viel zu selten aufgeführt werden. Sei’s drum, Oramo ist ein wunderbarer Modellierer, der die Dynamik schon in der „Morgenstimmung“ fein abstuft in zahllosen Schattierungen. In den letzten Takten von „Äses Tod“, dem zweiten Satz, glaubt man kaum, ein volles Symphonieorchester vor sich zu haben, so zart und pastos verhallen die Töne, als seien sie nur ein Echo. Wenn in der Halle des Bergkönigs die Trolle tanzen, steigert Oramo Tempo und Dynamik genau im richtigen Maß, bis zum krawalligen Höhepunkt. Toll.

Sandpapier und Hammondorgel

Der australische Komponist Brett Dean war bis 1999 Bratschist bei den Berliner Philharmonikern. Sein Cellokonzert, erst vor zwei Wochen in Sydney uraufgeführt, bettet das Cello in einen kontinuierlichen, impulsiven Klangstrom ein, wobei das Orchester durch exotische Instrumente wie Sandpapier und Hammondorgel aufgepeppt ist. Das Prinzip lautet: Anspannung – Entspannung, lyrische Momente folgen auf Augenblicke höchster Energieverdichtung. Uraufführungssolist Alban Gerhardt reizt die technischen Möglichkeiten seines Instruments bis ins Letzte aus, produziert teilweise Töne, die mehr an Froschquaken erinnern als an Musik, Stimmführer Ludwig Quandt nimmt sie auf und spinnt sie weiter. Generell gibt sich Gerhardt als sensibler Feinzeichner – und versteht sich wohl auch deshalb so gut mit Sakari Oramo; zum umjubelten Applaus haken sich die beiden und Brett Dean gegenseitig unter wie die Drei von der Tankstelle, ein schönes Bild.

Wie zum Ausgleich für die bekannteste Suite von Grieg erklingt nach der Pause die unbekannteste von Sibelius: Kaum jemand im Saal dürfte die „Lemminkäinen“Suite op. 22 je gehört haben. Obwohl es funkelnde, teils fulminante Musik ist. Lemminkäinen ist ein Held der finnischen Mythologie, er muss die schöne Kylliki erobern und Kämpfe bestehen. Finnland als das Griechenland des Nordens, wer hätte das gedacht? Musikalisch erinnert die Suite streckenweise an Richard Strauss, auch tristaneske Themenfetzen tauchen auf. Dominik Wollenwebers Englischhorn singt traumverloren die Melodie des schwarzen Schwans, den Lemminkäinen auf dem Fluss der Unterwelt töten muss, in den späteren Sätzen erweisen sich die Philharmoniker als Meister im Ausmalen von Stimmungen. Schließlich kehrt der Held unter triumphalen Dur-Klängen heim, die Musik peitscht sich vitalistisch zum Finale, selbst hier bringt Sibelius noch mal ganz neues Themenmaterial. Will man öfter hören.

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