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Close-Up-Porträts der Schauspielerin Monica Belucci.

© Kai Müller/Birgit Kleber

Berliner Museum für Fotografie: Die Stars sollen sie ansehen

Birgit Kleber fotografiert seit zwanzig Jahren die Größen der Filmszene - viele davon hat sie auf der Berlinale getroffen. Jetzt ist eine Auswahl zu sehen.

Sie brauche fünf Minuten, sagt Birgit Kleber stets, wenn sie den Raum betritt. Es soll beruhigend auf die Menschen wirken, die es selbst als professionelle Narzissten fürchten, von einer Fotografin in die undurchsichtige Situation einer Porträtsitzung verwickelt zu werden. Außerdem ist ihr Terminkalender meistens voll oder sie tut, als ob etwas Wichtiges drängt, und sei es die Ungeduld. Fünf Minuten also. Das geht immer.

Erstaunlicherweise braucht Birgit Kleber wirklich nie länger.

Sie verlässt den Raum mit vier bis fünf Aufnahmen, aus denen sie im Studio später eine auswählt. Die ist es dann. Mit der Zeit ist so ein riesiges Werk entstanden, das sämtliche wichtigen Akteure des deutschen und europäischen Films der vergangenen Jahrzehnte vereint. Von Volker Schlöndorff und Wim Wenders über Tom Tykwer und Oskar Roehler bis zu Rachel Weisz, Kristin Scott Thomas, Hildegard Knef und Stellan Skarsgård – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Sie kann auswählen, wen sie treffen will

Viele Fotos entstanden im Auftrag des Tagesspiegels, für den Birgit Kleber lange gearbeitet hat. Nun ist erstmals eine große Auswahl im Museum der Fotografie zu sehen, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits im Frankfurter Filmmuseum ausgestellt war. Die Schau im Erdgeschoss der Helmut-Newton-Sammlung ergänzt das 70. Berlinale-Jahr um Porträts, von denen etliche ohne das Filmfestival nicht entstanden wären.

Mittlerweile kann die 63-Jährige für ihre Porträt-Serie auswählen, wen sie treffen will. Vom roten Teppich und der Turbulenz der Pressekonferenzen hält sie sich fern. Sie sagt, dass es ihr um die Begegnung gehe. Aber wem begegnen die Filmstars und -regisseure, wenn sie auf Birgit Kleber treffen?

Ein Mosaik der Stars: Von Daniel Brühl über Charlotte Rampling zu Doris Dörrie.
Ein Mosaik der Stars: Von Daniel Brühl über Charlotte Rampling zu Doris Dörrie.

© Kai Müller/Birgit Kleber

Kleber betritt die Szene mit nicht mehr als einer Kamera in der Hand. Sie rückt einen Stuhl zurecht und prüft das Licht, indem sie eine Hand wie um eine unsichtbare Hüfte streckt und beobachtet, was das Tageslicht mit der Haut und den Linien darin anstellt. Ein Trick, den sie vom französischen Altmeister der Kamera, Henri Alekan, übernommen hat. Dann rückt Kleber einen Stuhl zurecht.

Peter Simonischek könnte einen jetzt auch hassen

Zur minimalistischen Arbeitsweise der schmalen Frau in schwarzer, schmuckloser Kleidung, die sich ein allerdings ausgeprägtes Faible für aufregende Damenschuhe leistet, gehört, die Menschen auf diesen Stuhl zu platzieren, sie sich vorbeugen zu lassen, sodass ihr Körper mehr Tiefe erhält, selbst davor in die Hocke zu gehen, die Kamera zu heben und aus nächster Nähe auf den Auslöser zu drücken. Klebers zierlicher Bubikopf verschwindet hinter dem schwarzen Gehäuse.

Was die Porträtierten sehen, ist ihr eigenes Spiegelbild in der Linse, ein Auge, das ihnen in die Augen sieht. Die Stars begegnen also der Kamera, Kleber sorgt bloß für die nötige Konzentration bei diesem Rendezvous. „Oh, ja, gut“, sagt sie manchmal, wenn die Verbindung, falls es das ist, hergestellt ist.

„Ich will, dass sie mich ansehen“, sagt Kleber über den Effekt eines gelungenen Porträts. Statt das Gesicht eines berühmten Menschen quasi ungestört von ihm selbst betrachten zu können, soll der aus dem Bild wieder herausschauen. Man erfährt so viel über ihn durch die Weise, mit der er das tut. Doris Dörrie blickt mit fürsorglicher Güte, Moritz Bleibtreu weil er verstehen will. Udo Kier glüht – sein Innenleben pures Plasma –, Peter Simonischek könnte einen jetzt auch hassen und Daniel Brühl wägt die Lage ab.

Plötzlich stand George Clooney vor ihr

In kurzer Zeit jemandem sehr nahe zu kommen, das entspricht nicht gerade zwischenmenschlichen Gepflogenheiten. „Mit der Kamera traue ich mich, Dinge zu machen, für die ich viel zu scheu wäre“, sagt Birgit Kleber und weiß von einer Begegnung mit George Clooney zu berichten, der nach einer Pressekonferenz, auf der sie kein einziges Foto geschossen hatte, plötzlich im Treppenhaus vor ihr stand. Sie war so erschrocken, dass sie beinahe aus Versehen auf den Auslöser drückte.

Greta Gerwig, Tom Tykwer, Axel Prahl und weitere Größen der Filmszene.
Greta Gerwig, Tom Tykwer, Axel Prahl und weitere Größen der Filmszene.

© Kai Müller / Birgit Kleber

Vor den oft – von langer Hand geplanten, bis zuletzt unwägbaren – Treffen ist sie nervös. Das verfliegt, sobald sie die Kamera ihre Arbeit tun lassen kann und es nicht mehr auffällt, dass die Fotografin sich auf wenige Zentimeter nähert.

In Hannover geboren, verschlug es Kleber in den 70er Jahren nach West-Berlin. Sie absolvierte eine klassische Fotografenausbildung, wurde Bildredakteurin bei „Courage“, einer feministischen Frauenzeitschrift. Bei einem Aufenthalt in den USA Anfang der 80er hoffte sie, von Lotte Jacobi in die Kunst der Porträtfotografie eingeweiht zu werden. Immerhin hatte die deutsche Exilantin 1930 das berühmte Bild der Geschwister Klaus und Erika Mann in Männerhemden und mit Schlips geschossen.

Mit fremden Frauen aufs Hotelzimmer

Doch Jacobis Stil, sich in einen anderen Teil des Ateliers zu setzen und so lange zu warten, bis die Masken fielen, war Klebers Ding nicht. „Nach einer halben Stunde würde ich die Masken auch fallenlassen, weil ich genervt wäre.“ Viel eher hält sie es mit Berenice Abbott, der anderen wichtigen USA-Erfahrung, von der sie bis heute zehrt. Die sagte ihren Schülern, dass sie auf der Straße nur auf den Auslöser drücken sollten, wenn sie wüssten, warum.

Dass Birgit Kleber Anfang der 90er Jahre ihren eigenen strengen Porträtstil entwickelte, hing mit einer Interview-Reihe im Tagesspiegel zusammen, für die sie die Bilder machte, immer in demselben, kleinen Zeitungsformat, das sie zwang, sehr dicht an die Personen heranzutreten. Zeitgleich sprach sie Frauen auf der Straße an, ob sie mit ihr in ein Hotelzimmer gehen und sich dort von ihr fotografieren lassen würden.

Die Personen saßen in Unterkleidern oder -hemden mit Spagettiträgern auf der Bettkante, der Raum, wie anonym er auch gewesen sein mochte, zerfloss in Unschärfe, und aus dem Zentrum ragte der eindringliche Blick einer Frau, die offenbar nichts zu verbergen hatte.

Exzessive Charaktere

Die Stärke von Frauen herauszustellen, ist Klebers Anliegen seither geblieben. Ihre Serie über „Modern Queens“ mit Punkfrisuren, Piercings und Tattoos pointiert weibliche Kraft ebenso wie die Zeitstudie „Clara“, in der sie die Entwicklung eines Mädchens vom Kind zum rebellischen Teenager über zehn Jahre hinweg begleitet.

Daneben begann Kleber auf der Berlinale nach jenem herausfordernden Menschentyp Ausschau zu halten, der seiner Umwelt viel abverlangt. Zu diesen exzessiven Charakteren gehörten Charlotte Rampling, William Dafoe und Meret Becker, die wie ein Vogel zu entschweben scheint, aber auch Marie Bäumer, die sich 2018 vor Klebers Kamera von ihrer makellosen Schönheit verabschiedet und keineswegs traurig darüber ist.

In der Ausstellung sind all diese Porträts in der wilden russischen Hängung eines unfertigen Mosaiks angeordnet. Das Durcheinander tut der formalen Strenge von Klebers Blick natürlich gut, lockert ihn auf und gibt dem einzelnen Gesicht mehr Präsenz. So beeindruckt einen weniger die Vielzahl an Bildern eines geduldig zusammengetragenen Werks, als vielmehr dessen Prinzip.

Klebers fotografischer Ansatz ist in seiner asketischen Fokussierung ein exemplarisches Beispiel dafür, wie Nähe in der Kunst mal nicht ausbeuterisch wirkt.

Birgit Kleber: Augen/Blicke, Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, bis 29. März, Di – So, 11 – 19 Uhr, Do bis 20 Uhr.

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