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Hat gut Lachen: Klaus Lederer

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Berliner Kulturpolitik: Lederer möchte Robin Hood der Kultur sein

Berlins Kultursenator Klaus Lederer kann seinen Etat um 100 Millionen Euro steigern. Wer alles vom Geldsegen profitiert.

„Im Mittelpunkt stehen für mich Fragen der gleichberechtigten Teilhabe aller am gesellschaftlichen und damit auch am kulturellen Reichtum.“ So definiert Berlins Kultursenator Klaus Lederer den „roten Faden“, der sich durch seinen Entwurf für den Etat 2018/19 zieht. Zu mitternächtlicher Stunde erläuterte er am 14. Dezember seine Schwerpunktsetzungen im Abgeordnetenhaus, bei der Debatte über den Doppelhaushalt. Ihm gehe es darum, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die es zahlreichen Kunstschaffenden ermöglichen, frei zu arbeiten, ohne materielle Existenzängste zu leben“.

Also hat der Linken-Politiker all jene Akteure der Hauptstadtszene in den Mittelpunkt seiner Bemühungen gerückt, die zumeist jenseits des medialen Rampenlichts arbeiten. Die Kinder- und Jugendtheater, die Musikschullehrer, die freischaffenden Bildenden Künstler, die Bezirkskulturarbeit, die kommunalen Bibliotheken. Lederer will Lobbyist derer sein, die keine starke Lobby haben.

Als aufrechter Linker kämpft er gegen die Gentrifizierung der City, als Senator macht er sich dafür stark, dass freiberufliche Künstlerinnen und Künstler weiterhin in den Innenstadtbezirken arbeiten können. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen möglichst 2000 Arbeitsräume gesichert werden. Ein großes Ziel, das Lederer langfristig anlegen möchte – allerdings ist es senatsseitig noch nicht „kontinuierlich verstetigt für die Folgejahre“. In diesem Doppelhaushalt aber immerhin hat er knapp sieben Millionen Euro locker gemacht.

2018 stehen insgesamt 625,6 Millionen Euro für die Kultur zur Verfügung

Um das Prinzip Selbstausbeutung zu lindern, von dem die Offkultur-Szene geprägt ist, wird es künftig Mindeststandards bei der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern sowie bei Ausstellungshonoraren in kommunalen Galerien geben. Das gehört für Lederer ebenso zu einer ehrlichen Kulturpolitik wie der 100-prozentige Ausgleich von Lohnsteigerungen für die tarifgebundenen Institutionen. Lange Jahre mussten die Häuser Zuwächse bei den Gehältern ihrer Angestellten aus ihren eigenen Etats erbringen, wodurch entsprechend weniger Geld für die Kunst zur Verfügung stand.

Für diese drei Maßnahmen geht ein großer Batzen der 100 Millionen Euro drauf, um den der neue Kulturetat im Vergleich zu 2017 angestiegen ist – auf insgesamt 625,6 Millionen Euro.

Satte 38,5 Millionen Euro stehen zudem für die Verbesserung der kulturellen Infrastruktur zur Verfügung. Es existiert zwar bereits eine interne Prioritätenliste, bei welchen Institutionen zuerst investiert werden soll, über die tatsächlichen Projekte wird aber erst in den kommenden Monaten entschieden.

Um 0.48 Uhr billigte das Parlament Lederers Etat. Wobei die Abgeordneten den Entwurf zuvor noch in ihrem Sinne an der einen und anderen Stelle korrigiert hatten. Und zwar nach oben: Durch 26 Änderungsanträge aus Reihen der Regierungskoalition konnten die Mittel für 2018 um 5,9 Millionen Euro erhöht werden, für 2019 um 6,55 Millionen Euro.

Es geht aufwärts für junge Besucher. Szene aus „Das Tierhäuschen“ im Theater an der Parkaue.
Es geht aufwärts für junge Besucher. Szene aus „Das Tierhäuschen“ im Theater an der Parkaue.

© Christian Brachwitz

Mehr Geld fließt vor allem für Künstlergruppen, die die hauptstädtische Szene seit Langem prägen und doch immer von der Hand in den Mund leben müssen. Die Kulturausschuss-Vorsitzende und Grünen-Politikerin Sabine Bangert spricht hier von „Ankerinstitutionen“ der Berliner Kulturlandschaft, die das Parlament über das von der Verwaltung geplante Maß hinaus unterstützen wollte, oder denen überhaupt erstmalig eine staatliche Zuwendung verschafft werden sollte.

Das Radialsystem am Ostbahnhof, das sich seit seiner Gründung 2005 zu einem wichtigen Player für Innovatives im Bereich Tanz und Musik entwickelt hat, erhält ab 2018 erstmals eine Million Euro pro Jahr. Die Arbeit des Deutschen Zentrums für Märchenkultur, das die Berliner Märchentage organisiert, wird auf Initiative des Parlaments mit der Jahressumme von 480 000 Euro gefördert.

Stärkere Erhöhungen erwirkten die Abgeordneten auch für die Tanzkompanie Toula Limnaios, die statt 430 000 Euro nun 543 000 Euro erhält (davon 75 000 durchs Parlament). Die Choreografin Constanza Macras darf sich über 508 900 Euro freuen (statt bisher 283 220 Euro, 200 000 durchs Parlament). Die Zuschussanhebung für das Ensemble „Nico an the navigators“ geht ganz auf das Konto der Abgeordneten (354 000 statt 154 000 Euro). Ebenso sieht es bei der „Akademie für Alte Musik“ aus: Das auf Barockes spezialisierte Kammerorchester erhält 200 000 statt bislang 100 000 Euro. Beim Etat des „Hebbel am Ufer“ (HAU) mit seinen drei Bühnen legte das Parlament zum Senatsansatz 300 000 Euro drauf, so dass die Fördersumme insgesamt von 5,736 Millionen auf 7,11 Millionen Euro anwächst.

Neu ist der Festivalfonds

Eine Eigenerfindung Lederers ist der Festivalfonds, der mit acht Millionen Euro ausgestattet wird. Damit soll „Berliner Aushängeschildern“, die sich bislang „in steter Unsicherheit von Förderperiode zu Förderperiode gehangelt haben“, endlich Planungssicherheit gegeben werden. Zu den Nutznießern werden sowohl volksfestähnliche Events wie der Karneval der Kulturen oder die Fête de la Musique gehören, aber auch Special-Interest-Veranstaltungen wie „Atonal“ und das CTM-Festival für experimentelle und elektronische Musik. Auch die Berlin Art Week und das Performing Arts Festival nannte Lederer bei der Debatte im Abgeordnetenhaus.

Eine Herzensangelegenheit sind für den Senator die Kinder- und Jugendtheater. Nachdem sie jahrelang wenig erfolgreich um die Anpassung ihrer Zuschüsse gekämpft hatten, wird der Etatposten 2018/19 um 1,55 Millionen Euro aufgestockt. Das Theater an der Parkaue erhält eine halbe Million Euro mehr gegenüber 2017 (100 000 Euro davon auf Initiative des Parlaments). Der Etatansatz für das Grips Theater wird um 300 000 Euro erhöht, das Atze Musiktheater erhält künftig 200 000 Euro mehr. Aufgestockt werden auch die Zuschüsse für die Schaubude (um 100 000 Euro), das Theater Strahl (um 250 000 Euro) sowie RambaZamba (um 101 000 Euro). Der Fördertopf für kleine Kinder- und Jugendtheater wird um 100 000 Euro aufgestockt.

Lederer will Hemmschwellen abbauen

„Prägende Erlebnisse“ erhofft sich Lederer für die „Jüngsten und Jüngeren“ bei ihren Theaterbesuchen. Und einen Abbau von Hemmschwellen gegenüber der Hochkultur: „Wenn wir eben nicht wollen, dass nur ein Viertel der Stadtgesellschaft immer wieder in unsere Einrichtungen geht, dann müssen wir das Angebot der Kinder- und Jugendtheater ausbauen.“

Kein Glück schließlich hatte Dieter Hallervorden: Für sein Schlossparktheater ließ sich im Rahmen der Haushaltsberatungen kein Zusatzgeld herausschlagen. Zu den 440 000 Euro, die turnusmäßig vom Land Berlin an das Privattheater in Steglitz überwiesen werden, kommen aber derzeit 600 000 Euro aus dem Topf der Lottostiftung.

Gleich doppelt so viel wie bisher zahlt die Kulturverwaltung ab 2018 auch in den Bezirkskulturfonds ein. Die Summe von 1,011 Millionen Euro relativiert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass sich alle Bezirke diesen Topf teilen müssen.

Es profitieren all jene, die keine starke Lobby haben

Nicht mehr als eine Idee ist bislang der „Runde Tisch Tanz“: 100 000 Euro sind im Etat eingestellt für das Gremium, das Konzepte zur Zukunft des Tanzstandortes Berlin erarbeiten soll. Wer an den Diskussionen teilnehmen wird und wann sich der Runde Tisch konstituieren kann, muss aber noch entschieden werden.

Glamouröse Highlights mögen diesem Doppelhaushalt 2018/19 fehlen – doch Klaus Lederer strebt ja auch gar nicht danach, in die Fußstapfen seines Vornamensvetters Wowereit zu treten. Viel lieber möchte er ein Robin Hood der Kultur sein. Wobei es ihm die allseits sprudelnden Steuereinnahmen sogar ermöglichen, den Armen zu geben, ohne den Reichen zu nehmen zu müssen. Um die kümmern sich nämlich andere. Im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrags erhalten die Berliner Philharmoniker ab sofort 7,5 Millionen Euro vom Bund, die Opernstiftung gar zehn Millionen Euro.

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