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Elsa Dreisig wird gleich in zwei Neuinszenierungen von Mozart-Opern auftreten.

© Simon Foller

Berliner Kulturleben nach Corona: Opernhäuser präsentieren Spielpläne

Stiften Vorfreude: Die Lindenoper und das Musikfest Berlin geben ihre Pläne für die Zeit bekannt, wenn die Bühnen wieder offen sind.

Die Kostümabteilung der Staatsoper näht jetzt Gesichtsmasken. „Die sind unter anderem für Pflege- und Altenheime gedacht“, sagt Matthias Schulz, „die Anregung dazu kam vom Krisenstab des Landes Berlin.“ Der Intendant gehört zu den wenigen Mitarbeitern des Hauses, die noch Unter den Linden präsent sind. 

Jeden Morgen fährt er mit dem Fahrrad ins Büro, wo er seit der Schließung der Bühnen alle Hände voll damit zu tun hat, so viel wie möglich zu retten von den abgesagten Produktionen dieser Saison.

Die Spielpläne der großen Opernhäuser, die mit vielen internationalen Stars arbeiten, sind schon in normalen Zeiten etwas für Puzzle-Profis. Durch die Coronakrise haben sich die Herausforderungen ans Management jetzt noch einmal verschärft. 

„Figaros Hochzeit“ im kommenden Frühjahr

Ausfallen muss die Neuinszenierung von Modest Mussorgskys „Chowanschtschina“, die im Juni herauskommen sollte, weil die Bühnenbilder dafür derzeit nicht gebaut werden können. Ebenso aufgeschoben wird die für diesen Samstag geplante Osterpremiere, Mozarts „Così fan tutte“. 

Daniel Barenboim wollte damit eigentlich einen neuen Zyklus der Da-Ponte-Opern beginnen. Jetzt wird „Figaros Hochzeit“ im kommenden Frühjahr den Anfang machen, wann die „Così“ nachgeholt werden kann, entscheidet sich kommende Woche.

Besser sieht es für eine weitere ausgefallene Mozart-Produktion aus, „Idomeneo“ nämlich. Im Januar 2021 wird die Oper nun herauskommen – hoffentlich wie geplant mit Simon Rattle am Pult. 

Er will gerne dabei sein, muss aber noch klären, ob er das mit seinen Verpflichtungen beim London Symphony Orchestra unter einen Hut bringen kann.

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Barenboim wird als erste Premiere der kommenden Saison 2020/21 eine Heiner-Müller-Vertonung dirigieren, Luca Francesconis „Quartett“. Als szenische Partnerin dafür hat er sich die polnische Regisseurin Barbara Wysocka ausgesucht. 

„Wir hatten sehr spannende Konzeptionsgespräche mit Frau Wysocka, die ja auch Schauspielerin ist und zudem eine echte Heiner-Müller-Spezialistin“, berichtet Matthias Schulz. „Es wird eine sehr symbolhafte Produktion werden, sowohl was das Bühnenbild betrifft als auch die Personenführung.“

Antonio Pappano dirigiert Puccini

Und noch eine zweite Regisseurin wird eine große Premiere Unter den Linden verantworten: Lydia Steier inszeniert Puccinis 1910 für New York geschriebene „Fanciulla del West“. 

„Keine seiner Opern reicht weiter in die Moderne hinein“, findet Schulz. „Es ist ein faszinierendes, komplexes Werk, für mich Puccinis interessanteste Orchesterpartitur. Wir haben außerdem eine tolle Besetzung mit Michael Volle, Anja Kampe und Yusif Eyvazov.“ 

Als Dirigent konnte der langjährige music director der Londoner Covent Garden Opera, Antonio Pappano, gewonnen werden.

Werke des 14-jährigen Mozart

Bei den Barocktagen der Staatsoper wird 2021 zum einen der Orpheus-Mythos im Fokus stehen, mit Vertonungen von Gluck, Monteverdi sowie Carl Heinrich Graun, dem Hofkomponisten Friedrichs des Großen. Zum anderen geht es um den jungen Mozart. Er war gerade 14 Jahre alt, als er „Mitridate“ komponierte. 

„Das Werk hat dennoch eine unglaubliche Power und es bedeutet mir sehr viel“, schwärmt der Intendant. „Als beim letzten Mozart-Jubiläum 2006 in Salzburg alle seine Opern aufgeführt wurden, war für mich Mitridate der geheime Star.“ 

Im Orchestergraben wird Marc Minkowski stehen, Regie führt Satoshi Miyagi, dessen Spezialität es ist, Elemente des Kabuki-Theaters mit Formen des zeitgenössischen Theaters zu verbinden.

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Der dirigierende Komponist Matthias Pintscher darf sich Richard Wagners „Lohengrin“ annehmen, und zwar mit ausdrücklicher Billigung Barenboims. 

„Als Matthias Pintscher die Uraufführung von Beat Furrers ,Violetter Schnee‘ bei uns betreut hat, funktionierte die Zusammenarbeit so toll, dass wir unbedingt weitere Pläne zusammen schmieden wollten“, sagt Schulz. „Dass es eines der zentralen Werke des Repertoires geworden ist, freut mich besonders.“ 

Regie wird Calixto Bieito führen. Der Italiener Damiano Michieletto, bekannt für seine überbordende Fantasie und eine absolut virtuose Personenführung, nimmt sich Leoš Janáčeks „Jenufa“ an. Im Orchestergraben wird dann wiederum Simon Rattle stehen, ein bekennender Fan des tschechischen Komponisten.

Stammpublikum gehört zur Risikogruppe

Ein beeindruckendes Gründungsjubiläum schließlich kann die Staatskapelle feiern: Mit ihrer 450-jährigen Geschichte ist sie eines der ältesten Orchester der Welt. 

Im September gibt es eine Festwoche mit einem „Staatsoper für alle“-Event, das auch vom ZDF übertragen wird, sowie einer Geburtstagsparty, bei der verschiedenste Staatskapellen-Formationen den ganzen Tag die Bühne bespielen. So ist es jedenfalls geplant.

Wird hinter den Kulissen eigentlich die Problematik diskutiert, dass zur Stammkundschaft der Klassikszene überdurchschnittlich viele Personen aus der Risikogruppe der älteren Mitbürger gehören, weshalb nach einer Wiedereröffnung der Säle dann jeweils mehrere Sitzplätze zwischen den Besuchern frei bleiben müssten? 

Beethoven, der freiberufliche Künstler

Solche Gespräche sind im Gange, alle möglichen Szenarien werden durchdacht“, bestätigt Winrich Hopp, der Leiter des Musikfest Berlin. „Dass wir den Auflagen der Behörden folgen werden, ist selbstverständlich, aber wir wissen derzeit ja überhaupt noch nicht, wie es perspektivisch aussieht.“ 

In einer vorauseilenden Panik sein Festival abzusagen, das vom 29. August bis 27. September stattfinden soll, hielte Hopp für falsch: „Es ist wichtig, dass wir als Veranstalter jetzt weiterarbeiten. Schließlich geht es auch um die Existenzen der Künstler.“

Dazu passt, dass beim Musikfest der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens gefeiert werden soll – „und der war einer der ersten freiberuflichen Künstler in der Musikgeschichte“. 

Einsatz historischer Instrumente

Nicht als Klassik-Titan wird Hopp Beethoven würdigen, sondern als Zukunftsmusiker und Wegbereiter. In seinen Programmen lässt er ihn darum auf Zeitgenossen treffen. Und zwar sowohl auf seine eigenen wie auf unsere heutigen.

Das Pariser Orchester Les Siècles wird neben der „Eroica“ Werke des frühen 19. Jahrhunderts von Méhul und Gossec spielen, und zwar auf historischen Instrumenten; der Rias Kammerchor führt das Requiem von Luigi Cherubini auf, den Beethoven sehr schätzte.

Nicht weniger als 55 Werke Beethovens werden beim Musikfest zu hören sein – und 14 von der Komponistin Rebecca Saunders. 1967 in London geboren, zog sie im Anschluss an ihr Studium in Edinburgh und Karlsruhe 1997 nach Berlin, wo sie bis heute lebt. 

Auch moderne Werke des 20. und 21. Jahrhunderts

Dass sie Ende der neunziger Jahre die Leerstellen der Stadt zu schätzen lernte und viel in Techno-Clubs unterwegs war, hat ihre Musik geprägt. Oft wird die aus der absoluten Stille geboren und schwillt dann an bis zur gewalttätigen Wut. 

Literarische Bezugspunkte sind für die Komponistin Samuel Beckett und James Joyce, auch das wird man bei der Saunders-Hommage des Musikfests erleben können.

Winrich Hopps Ziel ist es, nicht nur Kompositionsaufträge zu vergeben, sondern Werke des 20. und 21. Jahrhunderts ins Repertoire der großen Sinfonieorchester zu bringen. Und er ist ziemlich erfolgreich dabei, wie der Blick ins gestern veröffentlichte Musikfest-Programm zeigt. 

Igor Levit spielt Ferruccio Busoni

Uraufführungen wird es unter anderem von Sofia Gubaidulina, Wolfgang Rihm, Heiner Goebbels und Christian Jost geben, Olga Neuwirth ist mit einer europäischen Erstaufführung vertreten.

Neben den großen Berliner Orchestern sind diesmal unter anderem die Bamberger Symphoniker, das Leipziger Gewandhausorchester, das Orchestre Revolutionnaire et Romantique aus London, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen sowie die Musikfabrik aus Köln eingeladen. 

Der Pianist Igor Levit wird nicht nur alle Beethoven-Sonaten an acht Abenden spielen, sondern auch Ferruccio Busonis monumentales Klavierkonzert aufführen, zusammen mit dem römischen Orchestra di Santa Cecilia. Und die Deutsche Oper widmet sich der Urfassung des „Fidelio“ von 1804, mit der Sopranistin Flurina Stucki als Leonore.
Weitere Infos unter: staatsoper-berlin.de sowie berlinerfestspiele.de

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