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Der Entwurf von Stephan Braunfels für das Kulturforum in einer Simulation.

© Braunfels

Berliner Kulturforum: Schnöde Scheune oder schöne Öde

Alles entschieden am Berliner Kulturforum? Nicht für Stephan Braunfels. Der Architekt prescht nochmal vor - und präsentiert seine radikale Ideen.

„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“ Bertolt Brechts Bonmot hat sich Stephan Braunfels zu Herzen genommen. „Ich widerrufe“, beginnt der Architekt am Montag seinen Pressetermin. Er hat ins Bistro „Die Eins“ am Reichstagsufer geladen, in Sichtweite seiner Bundestagsbauten, des Marie-Elisabeth-Lüders- sowie des Paul- Löbe-Hauses, will aber nicht über die Scherereien sprechen, die er seit Jahren mit der Erweiterung des Gebäudekomplexes hat, sondern über Städtebau. Genauer: über das Kulturforum.

Er sei schuld, bekennt Braunfels, dass zwischen Philharmonie und Nationalgalerie jetzt das Museum der Moderne nach dem Entwurf von Herzog & de Meuron gebaut werden soll, eine riesige Halle mit Satteldach, im Volksmund „Scheune“ genannt.

Eigentlich sollte der 30.000 Quadratmeter-Bau ja an der Sigismundstraße entstehen, hinter Mies van der Rohes Solitär, dezent versteckt also. 2013 aber war Stephan Braunfels mit dem Vorschlag vorgeprescht, lieber direkt an der Potsdamer Straße zu bauen. In Anlehnung an Hans Scharouns ursprüngliche Idee eines Gäste- und Atelierhauses hatte er dort ein terrassenförmiges Gebäude skizziert, das den Kunstmäzenen Erich Marx sowie Ulla und Heiner Pietzsch so gut gefiel, dass sie Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Pistole auf die Brust setzten. Plötzlich wollten sie ihre Sammlungen der Stiftung nur noch für diesen Standort an der Durchgangsstraße überlassen. So zumindest erzählt es Stephan Braunfels.

Und zeigt sich zerknirscht. Denn mittlerweile denkt er völlig anders. Er will nun doch lieber eine freie Fläche im Mittelpunkt des Kulturforums erhalten, einen urbanen Versammlungsplatz, der zum Herz des chaotischen Konglomerats aus Museen, Konzertsälen und Staatsbibliothek werden soll.

Schotterwüste statt lebendiger Piazza

Was der Architekt in seinem „städtebaulichen Gesamtkonzept“ vorstellt, erinnert dann aber doch fatal an die zugige Schotterwüste, die sich derzeit dort befindet. Obwohl sich Braunfels auf Michelangelos geniale Lösung für den Kapitolsplatz in Rom beruft, kann er für Berlin nur eine theoretische Piazza-Situation anbieten, keine mit echten Fassaden. Dabei weiß jeder Italienliebhaber, dass wirkliche Aufenthaltsqualität nur dann entstehen kann, wenn ein Platz von bewohnten Häusern umschlossen wird.

Was will Stephan Braunfels anders machen? Zum einen möchte er die Potsdamer Straße so nahe wie möglich an die Staatsbibliothek verschwenken. Den so entstehenden Raum westlich der Magistrale möchte er einerseits mit Wasserbecken füllen, deren Fontänen eine „unsichtbare Schallschutzwand“ gegen den brausenden Durchgangsverkehr bilden. Und zum anderen stellt er sich hier einen dritten Philharmonie-Saal vor, ein variabel nutzbares, auch für darstellende Künste offenes Veranstaltungshaus. Die Rampe zwischen Kupferstichkabinett und Kunstgewerbemuseum möchte er abreißen und durch eine „Haupteingangshalle“ für alle Museen am Kulturforum ersetzen – in deren Obergeschoss zudem die hier fehlenden Säle für große Wechselausstellungen Platz finden.

Das Museum der Moderne schließlich ist in der Braunfels’schen Vision zurück hinter die Nationalgalerie gerückt. Ein Glaskorridor im Skulpturengartens verbindet Mies van der Rohes Kunsttempel mit dem Erweiterungsbau, dessen Geschosse wie eine Treppe ansteigen. So soll einerseits der Blick auf die Nationalgalerie unbeeinträchtigt bleiben, andererseits aber die geforderte Nutzfläche für die Museumsleute bereitgestellt werden. Zudem erhielten alle Ausstellungsräume Tageslicht – in Braunfels’ Augen eine Grundvoraussetzung für die Präsentation von Malerei des 20. Jahrhunderts.

Ist er nicht zu spät dran?

Clou des Entwurfs ist die „Passerelle“, ein Verbindunsgang über die Sigismundstraße hinweg, der direkt zur Gemäldegalerie, dem Kupferstichkabinett und dem Kunstgewerbemuseum führt. So ließen sich sämtliche Sammlungen minimalinvasiv miteinander verbinden.

Einem Missstand am Kulturforum – der Abwesenheit anspruchsvoller Gastronomie – will der Architekt schließlich mit einem Café-Pavillon abhelfen, den er östlich der St.-Matthäus-Kirche platziert. Unter der „Forum“ genannten Freifläche will er außerdem „eine vielgeschossige Tiefgarage“ unterbringen, die den von Westen kommenden Besuchern die Parkplatzsuche deutlich erleichtern würde.

Braunfels ist jemand, der gerne mal ungefragt Alternativvorschläge einreicht, siehe Humboldt-Forun oder Friedrichstraße. Und er hat da auch noch eine Rechnung offen – ist er doch zum Wettbewerb für das Museum der Moderne nicht zugelassen worden. Auf die Frage, ob er nicht ein wenig spät dran sei, wo doch Herzog & de Meuron schon als ein Sieger für den Standort Potsdamer Straße feststehen, reagiert er gelassen. Zum einen gebe es Dutzende Beispiele von Projekten, die mit einem 1. Preis bedacht und dann doch nie gebaut wurden. Und zum anderen existiere noch gar kein Bebauungsplan für das Projekt. Bei gutem Willen aller Verantwortlichen wäre eine planerische Vollbremsung samt Umsetzung seiner Entwürfe also noch möglich.

Mit Stiftungspräsident Hermann Parzinger, dem Bauherren, hat Braunfels bislang noch nicht gesprochen, ebenso wenig mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die das Bundesgeld für den Ausstellungsbau verwaltet. Von Berliner Seite kann Braunfels sowieso keine Hilfe erwarten. Generationen lokaler Politiker haben hier nachhaltig bewiesen, dass ihnen die Aufenthaltsqualität am Kulturforum total wurscht ist.

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