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Dreamteam. Andreya Casablanca (li.) und Laura Lee kennen sich vom Studium. Sie spielen beide Gitarre, Casablanca singt.

© Joe Dilworth

Berliner Band Gurr: Zwei Frauen zwischen Punk und Indiepop

Roh, kraftvoll, fluffig: Ein Treffen mit dem Duo Gurr in Berlin. Andreya Casablanca und Laura Lee sind inzwischen auch in London beliebt.

Welche junge Band träumt nicht davon: Nach Jahren des Probens und Auftretens geht man eines Abends auf die Bühne, schaut ins Publikum, und dort stehen die Musiker, die man als Teenager verehrt hat. Den Berlinerinnen Andreya Casablanca und Laura Lee von Gurr ist genau das passiert, bei ihrem letzten Konzert in London Anfang November: „Da standen die Kaiser Chiefs, zu deren Musik ich damals in der Disco getanzt habe“, sagt Lee.

Es läuft gut für Gurr: Mit ihrem Garage-Pop-Debüt „In My Head“ landeten sie 2016 einen Überraschungshit, elf erfrischend unkomplizierte Songs zwischen Surf-Punk und fluffigen Indiepop-Melodien, die nicht nur deutsche Kritiker aufhorchen ließen. Gerade ist die mittlerweile vierköpfige Band von ihrer ersten UK- Tour zurück; rund hundert Konzerte haben sie 2017 gespielt, unter anderem als Vorband von Kraftklub. „Im letzten Jahr haben wir immer noch mit Studium, Band und Jobs herumjongliert, jetzt können wir uns ganz auf die Musik konzentrieren“, sagt Lee. „Es ist ein Vollzeitjob, aber es fühlt sich gut an.“ Die beiden sind sichtlich zufrieden: „Jetzt sind wir da, wo wir immer hin wollten“, sagt Lee. Eine reine Indieband zu bleiben, sei nie ihr Ziel gewesen. Ihren Underground- Charme haben sie sich dennoch erhalten.

Kennengelernt haben sich die beiden 2010 in Berlin, wo sie Nordamerikastudien studierten und im selben Kurs saßen. Keine zufällige Studienwahl, denn amerikanische Bands und deren Sound sind ihre Hauptvorbilder: „Black Rebel Motorcycle Club, Sonic Youth, Vivian Girls, Best Coast. Ich war froh, jemanden zu treffen, der auch auf so was steht“, sagt Lee. Als sie zusammen zu Konzerten von Jeff The Brotherhood und den Oh Sees gingen, sprang der Funke über: „Das war voll wichtig für uns, so was wollten wir auch machen“, sagt Lee, die glücklich war, mit Andreya Casablanca eine Gleichgesinnte gefunden zu haben: „Vorher war ich in Bands immer die einzige Frau.“

Selbstbewusst von Anfang an

Aufgewachsen in der Nähe von Oldenburg wurde Lee wie so viele andere von der Indie-Welle der frühen 2000er Jahre erfasst und stieg als Schlagzeugerin in einer Schulband ein. „Die klassische erste Band, wo jeder einmal durch muss und in der jeder eigentlich etwas anderes will“, sagt die 27-Jährige. Die Band On The Radar, in der sie danach spielte, war mit ihren Anleihen bei Joy Division, Editors & Co. schon eher nach ihrem Geschmack. Während Lee vor allem Fan von Britpop- Bands wie Oasis war, lauteten die frühen Einflüsse der 26-jährigen Andreya Casablanca eher Yeah Yeah Yeahs und Le Tigre: „Mit 16-17 habe ich in Nürnberg meine erste Band L.A. Crash gegründet, drei Leute, sehr garagig“, sagt sie.

So richtig zünden sollte es aber erst mit dem Umzug nach Berlin und der Gründung von Gurr. Der Bandname spielt auf Lees Tauben-Phobie an: „Ich wechsele die Straßenseite, sobald mir eine in den Weg kommt“, sagt sie. Ihre ersten Songs nehmen sie ganz klassisch in der Küche mit dem Kassettenrekorder auf. Die Texte schreiben sie von Anfang an auf Englisch, ihr Künstlerinnennamen klingen ebenfalls Englisch. „Wir wussten schon da, dass wir auf jeden Fall ein internationales Publikum ansprechen wollen.“ Gurr sind selbstbewusst, von Anfang an: Die ersten Demos packten sie 2011 auf CD-Rohlinge mit selbstgezeichneten Tauben darauf, schrieben eine fiktive Bandgeschichte und schickten das Ganze an Musikzeitschriften und Clubs wie das SO36, About Blank oder White Trash – und siehe da: „Wir bekamen sofort Auftritte, das war echt irre“, sagt Lee.

Wichtige Erfahrungen in den USA

Danach ging es aber erst mal für ein Auslandssemester in die USA , wo Lee und Casablanca 5000 Kilometer voneinander entfernt studierten. Dennoch eine wichtige Station für Gurr: „Am Ende des Jahres hatten wir frei und haben zusammen mit einer befreundeten Bassistin an der Ostküste einige Auftritte gemacht“, sagt Casablanca. Auch Aufnahmen entstanden, deren Qualität sie heute kritisch sehen. Die Erfahrungen in den USA schätzen sie jedoch als enorm wichtig ein. Zurück in Deutschland nehmen sie 2013 ihre erste EP „Furry Dream“ auf und sind diesmal wirklich zufrieden. Die rotzigen, noch sehr punkigen Songs mit deutlichem Wave-Einschlag überzeugen viele Kritiker, eine erste Europa-Tour folgt.

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Der Durchbruch sollte jedoch erst 2016 mit der Single „Moby Dick“ kommen, bei der Gurr ihr Händchen für lässige Pop-Melodien beweisen. „Plötzlich haben total viele Freunde und Freundesfreunde das geteilt“, sagt Casablanca. „Auf einmal war der Buzz da!“ Trotzdem sei der Erfolg nicht über Nacht gekommen: „Von außen sieht das Ganze ein bisschen aus wie ein Hype, aber davor lagen vier Jahre Arbeit“, betont Lee. Ihr Erfolg beruhe auch nicht darauf, dass sie als „Frauen-Band“ zahlreiche männliche Fans hätten: „Bei dem London-Konzert standen in der ersten Reihe fast nur Frauen“, sagt Casablanca. Auch die häufigen Riot Grrrl-Vergleiche nerven Gurr; ihren eigenen Stil bezeichnen sie daher ironisch „First-Wave-Gurrrlcore“.

Die deutsche Version von „Walnut“ lief bei der BBC

Ein Song, der ähnliches Hit-Potenzial entwickelte wie „Moby Dick“ ist „Walnuss“, das einzige deutschsprachige Stück auf „In My Head“. Das sei eher durch Zufall passiert, erzählt Casablanca: Gurr waren gefragt worden, ob sie in der Fernsehsendung „Pfeiffers Ballhaus“ auftreten wollten, wo Nachwuchs-Bands vor einem Rentnerpublikum auftreten. Bedingung war, dass sie einen Song auf deutsch spielen. Flugs schrieben Gurr einen deutschen Text für den bereits auf Englisch eingespielten Song „Walnut“ – und kamen damit erstaunlich gut an. Sogar bei der BBC lief das Stück.

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Auch auf ihrer England-Tour wurde es gefeiert: „Die Leute wollten das Lied immer auf Deutsch hören, die fanden das supercool“, sagt Lee. „Viele haben danach gesagt: ‚Ach, wir wussten gar nicht, dass ihr aus Deutschland seid!’“ Weitere Songs in ihrer Muttersprache sind aber nicht geplant. Auf dem Album, an dem Gurr derzeit arbeiten, werden alle Texte englisch sein. Es soll aufwändiger werden als das Debüt: „Wir werden mit viel mehr Spuren und Sounds arbeiten“, sagt Lee. „Es wird poppiger aber trotzdem fuzzy und roh bleiben.“ Erscheinen soll es im Herbst 2018.

Wer Gurr live sehen will, sollte am Samstag in den Festsaal Kreuzberg gehen, denn abgesehen von einigen Festivals wird die Band erst nach der Veröffentlichung des neuen Albums wieder in Deutschland auftreten. Davor sind bereits zwei Touren für das kommende Jahr geplant – in England.

„In My Head“ ist bei Duchess Box Records erschienen. Konzert: 16.12., 20 Uhr Festsaal Kreuzberg

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