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Wie gemalt. Blick auf den ornamentalen Dachgarten der Banco Safra in São Paulo, gestaltet von Roberto Burle Marx.

© Leonardo Finotti/DB Kunsthalle

Berliner Ausstellung Roberto Burle Marx: Komm in den Garten

Die DB-Kunsthalle Berlin würdigt den brasilianischen Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx.

Als der 19-jährige Roberto Burle Marx, Sohn der brasilianischen Pianistin Cecília Burle und des nach Brasilien eingewanderten Trierer Kaufmanns Wilhelm Marx, 1928 nach Berlin kommt, will er Malerei studieren. Vor allem genießt er gemeinsam mit seinen Eltern, die ihn begleiten, das reiche Kulturleben der Endzwanziger Jahre in vollen Zügen. Und er besucht den Botanischen Garten. Es ist paradox, was er dort für sich entdeckt und was ihn sein Leben lang faszinieren wird: die Pflanzenwelt seiner Heimat Brasilien. Er bewundert sie im Gewächshaus, das das tropische Klima simuliert.

„Hier, direkt vor mir, fand ich die Stärke der unberührten tropischen Natur“, hat er Jahrzehnte später erklärt: „Sie lag in meinen Händen, um als Rohmaterial für mein eigenes künstlerisches Projekt zu dienen.“ Dieses Projekt war jedoch nicht die Malerei – obgleich er zeitlebens auch Maler war –, sondern die Gartenkunst, im weiteren Sinne verstanden als Gestaltung öffentlicher Räume, in denen Natur und Kunst verschmelzen.

In Rio de Janeiro, wo der junge Roberto Burle Marx aufwächst, sind die Gärten der Wohlhabenden europäisch getrimmt. Einheimische Pflanzen gelten nichts. Ob Burle Marx tatsächlich erst im Berliner Tropenhaus der Schönheit der Flora seines Landes gewahr wird, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls sollte ihn dieses Urerlebnis von jeglicher Scheu befreien, sich ganz dem üppigen Grün der Tropen zu widmen.

Seine Biografie weist enge Bezüge zu Berlin auf

Roberto Burle Marx, einer der großen Landschaftsarchitekten des 20. Jahrhunderts, ist hierzulande kaum bekannt. Dass seine Biografie aber solch engen Bezug zu Berlin aufweist, dürfte noch weniger geläufig sein. Umso einleuchtender wird darum aber, dass die Deutsche Bank Kunsthalle in Übernahme einer vom Jewish Museum New York ausgerichteten Ausstellung mit dem Lebenswerk des Künstlers vertraut macht – soweit es sich überhaupt ausstellen lässt.

Denn natürlich müsste man die Gärten und städtischen Anlagen sehen, betreten, in ihrer Ausdehnung erleben. So wie die Pflasterung der Avenida Atlantica, der Uferstraße der Copacabana in Rio de Janeiro, die sich vier Kilometer entlang des sanft geschwungenen Strandes hinzieht. Als die Straße um 1970 auf sechs Spuren, getrennt durch einen breiten Mittelstreifen, erweitert wurde, konnte Burle Marx die ursprüngliche, portugiesischen Vorbildern abgeschaute Pflasterung entlang der Uferseite mit ihrem regelmäßigen Wellenmuster durch vielfältige, sich niemals wiederholende Muster auf Mittelstreifen und breitem Trottoir aus grauschwarzem, weißen und braunen Naturstein ergänzen. Nirgends ist die Gesamtheit der Muster zu erfassen, selbst aus den obersten Stockwerken der Apartmenthäuser erfasst der Blick stets nur einen Ausschnitt, zudem bedeckt von den Sonnenschirmen der Straßencafés und den bunten Rechtecken fahrender und parkender Automobile.

Den ersten „Garten“ in der damaligen Hauptstadt Rio legte Burle Marx auf dem Dach des Vorbaus des Erziehungs- und Gesundheitsministeriums an – einer Architekturikone Brasiliens, dem ersten, 1938 fertiggestellten modernistischen Gebäude, mit dem Oscar Niemeyer und Lúcio Costa ihren Durchbruch erzielten, die später die Neugründung Brasilia gestalten sollten. Auch dort zogen sie Burle Marx zur Gestaltung großer Freiflächen hinzu; auch den Garten der Residenz des deutschen Botschafters, entworfen von Hans Scharoun, hat er gestaltet. In Rio entstand rund um das eindrucksvolle Museu de Arte Moderna erst eine Gartenanlage mit Inseln aus Steinen oder Buschwerk, später dann der riesige FlamengoPark mit einer Vielzahl von Freizeit- und Sportangeboten für jedermann.

Er spielte mit den unterschiedlichen Volumina üppiger Pflanzen

Die Malerei von Burle Marx zeigt, woher formale Anregungen kamen: Aus dem „Modernismus“, diesem Amalgam europäischer Strömungen der abstrakten Kunst. Seine figurativen Anfänge ließ Burle Marx bald hinter sich, sie sind denn auch nur von biografischem Interesse. Am stärksten sind die Anklänge an die Abstraktion der Nachkriegszeit, die zum Globalstil wurde, und in der geometrische und organische Muster verschmelzen. Was den Gemälden und den zahlreichen Wandteppich-Entwürfen fehlt, ist die dritte Dimension der Gärten und Parks: Da konnte Burle Marx mit den unterschiedlichen Volumina der üppigen Pflanzen spielen, ihrer Breiten- und Höhenentwicklung. Niedrig gehaltene Rabatten wechseln mit Baumreihen oder kleinen Wäldchen, dazu flache Teiche mit unterschiedlich bepflanzten Inselchen. Die Zentrale einer Bank konnte Burle Marx regelrecht als Gesamtkunstwerk gestalten, mit Garten, Fußböden und Wandrelief, die alle dieselbe Sprache sprechen, jedoch in jeweils eigenen Materialien.

In Rio de Janeiro konnte sich Burle Marx einen Landsitz zulegen, in dessen weitläufigem Garten er, der selbst unermüdlich in unberührte Gegenden ging und zahlreiche Pflanzenarten bestimmte, einheimische Gewächse zog und bewahrte. Spät bekannte er sich zu seinen jüdischen Wurzeln und entwarf Vorplätze für Synagogen, einmal sogar farbige Glasfenster. Zudem war er als Gestalter von Schmuck, von Glas, sogar einem ebenfalls in Berlin ausgestellten Leuchter tätig.

Einer seiner letzten Entwürfe für eine öffentliche Freifläche – er stammt aus dem Jahr vor seinem Tod – galt übrigens dem Rosa-Luxemburg- Platz in Berlin rings um das Theater der Volksbühne, fand aber in der damaligen Nach-Wendezeit keine Unterstützung. Seine bleibende Leistung sind die Gärten und Parks, die ein Bewusstsein für die Schönheit der tropischen Natur Brasiliens weckten und förderten. Mit deren rapide voranschreitender Zerstörung ist das Vermächtnis des 1994 gestorbenen Roberto Burle Marx heute drängender denn je.

DB-Kunsthalle, Unter den Linden 13/15, bis 3. Oktober. Katalog (engl. m. dt. Beiheft) 35 €. Infos: db.com/de

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