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Bei der Berlinale auf der Museumsinsel steigt die Hitze. Abkühlung lockt Im Lustgarten.

© imago/snapshot/Krause

Berlinale Glosse (11): Die Museumsinsel wird zum Tropical Island

Sommer, Sonne, Schlabberlook – und vor der Leinwand der Berlinale spielt sich ein geheimnisvoller Krimi ab. Unser Kolumnist schmilzt hin und weg.

Hitz komm raus, Du bist umzingelt. Mir taten schon die Platzanweiserinnen der Berlinale leid, die immer im schwarzen Kostüm auf die richtige Maskengarderobe achten. Jetzt dürfen sie im weißen Hemd die Museumsinsel ins Tropical Island verwandeln. Die meisten Zuschauer sind zum Berliner Leinen-Schlabberlook übergegangen, selbst Peter Kurth kommt zur Premiere seines Films in Badelatschen. Vielleicht sollten sie am letzten Wochenende ein FKK-Festival draus machen. Die Insel liegt ja noch im Ostteil.

„Entschuldigung, haben Sie meine Frau gesehen?“ Ein älterer Herr mit Sonnenhut beugt sich in meine Sitzreihe, schaut mich fragend an. Ich kenne ihn nicht, er wirkt etwas verzweifelt. „Sie müsste hier irgendwo auf dem Gelände sein.“ An uns läuft ein Mann vorbei, er ist mir schon am Eingang aufgefallen. Eigentlich ist er ganz unauffällig, etwas klein und dicklich. Aber draußen lief hinter ihm ein anderer Mann her, mit großen Muskeln und einem kleinen Knopf im Ohr.

Ich zeige gerade meine Eintrittskarte und den Corona-Test vor, als sich der Muskelmann an meinen Kontrolleur wendet. „Kommt man hier auch ohne Karte rein? – „Nein.“ – „Wissen Sie, wir beschatten diesen Mann da vorne, der gerade reingeht“, er zeigt auf den kleinen dicklichen Mann, der derweil zum Getränkestand schlendert. – „Nein, tut mir leid.“

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Ich finde, sie sollten mehr Krimis auf der Berlinale drehen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler vom „Tatort“ sind sowieso alle hier. Und die besten Fälle spielen vor der Leinwand: Der Muskelmann spricht leise mit seinem Knopf im Ohr: „Leute, wir postieren uns am Ausgang.“

Ein Film über einen Lehrer – er sollte ein Lehrfilm werden

Bisher ist die Berlinale gut ausgegangen. Berlins erstes Großereignis nach dem Winterschlaf ist bestens organisiert, alle Freiluftkinos sind ausverkauft. Und das Irrste: Es gibt kaum schlechte Filme. Vielleicht, weil es diesmal nur 100 und nicht 400 Premieren gibt. Vielleicht, weil die Stadt jede Szene dieses Sommers auskostet, in Badelatschen.

Zum Beispiel den lauen Abend mit Herrn Bachmann, einem unkonventionellen Lehrer, der seine aus aller Welt zusammengewürfelte Klasse in einer hessischen Kleinstadt mit der Gitarre zum Deutschlernen bringt – eine herrlich rührende Sozialstudie. Der Film sollte Pflichtstoff in der Berliner Schulverwaltung werden.

Der singende, klingende Lehrer. Dieter Bachmann begeistert im Dokumentarfilm über seine Klasse - und gibt vor der Premiere ein Ständchen.
Der singende, klingende Lehrer. Dieter Bachmann begeistert im Dokumentarfilm über seine Klasse - und gibt vor der Premiere ein Ständchen.

© dpa/AFP Pool/Stefanie Loos

„Na na knocking on heavens door.“ Vor dem Start der Doku sitzt Herr Bachmann ein paar Reihen vor mir und klimpert auf seiner Klampfe. Von oben scheint die Abendsonne ins Gesicht, die Raben über der Insel klingen wie Möwen, die nette Frau am Getränkestand drückt mir ein paar Eiswürfel in die Hand – „kannste mitnehmen“. Jetzt noch ein Lagerfeuer und ab in die Spree!

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