zum Hauptinhalt
My Brother's Wedding

© Promo

Berlinale-Forum: Der schicke Nichtsnutz

Regisseur Charles Burnett lässt "My Brother’s Wedding" wie eine Reihe zufälliger Beobachtungen aussehen.

Direkt neben der Kirche liegt die Reinigung und Änderungsschneiderei von Pierce’ Familie: in South Central, Los Angeles, einer Gegend, die ausschließlich von Afro-Amerikanern bewohnt wird. In einem heißen Sommer stakst Pierce, noch nicht 20-jährig, durch seine hood, er trägt ein weit aufgeknöpftes Hemd und eine enge Hose mit leichtem Schlag. Hier und da schüttelt er Hände seiner Kumpels, lässt sich von den Mädels bewundern. Langgliedrig und schlaksig ist der junge Mann, nichtsnutzig auch, zum Verdruss seiner tief religiösen Mutter, seines etwas schläfrigen Vaters und vor allem seines Bruders: Der hat es nämlich zu etwas gebracht. Als Anwalt und Verlobter einer Arzttochter ist er der Hoffnungsträger der kleinbürgerlichen Familie.

Wieder einmal hat Regisseur Charles Burnett das Leben inszeniert, aber er lässt es wie zufällige Beobachtungen aussehen. Da sieht man die vergitterte Theke der Reinigung, durch deren Bedienungsluke Kleidung hin- und hergereicht wird. Ein sehr dicker Mann bringt eine am Hintern zerrissene Hose, Pierce’ Mutter schüttelt verzweifelt den Kopf. Da greift die gottesfürchtige Frau zur Waffe, die sie direkt unter der Theke bereithält, als ein dubioser Latino mit unruhigem Blick den Laden betritt . Da lässt Pierce seinen aus dem Knast zurückgekehrten Freund und dessen Geliebte das Hinterzimmer des Ladens als Liebesnest benutzen, und schließlich sprengt er das Familienzusammenführungsessen vor der Hochzeit seines Bruders. „My Brother’s Wedding“ ist aber auch eine Studie der sozialen Unterschiede innerhalb der schwarzen Community: Kleidung, Frisuren, Bärte, Tischsitten, Wohnungseinrichtungen und vor allem die Sprache der Protagonisten geben erstaunlich präzise Auskunft über deren Verhältnisse und Ambitionen. Der Film, 1983 gedreht, aber von Charles Burnett damals nicht fertiggestellt, wurde 2007 von ihm neu geschnitten und ist trotz seiner fiktiven Figuren, ein wunderbares Zeitzeugnis, ein Klassiker des Black Cinema. Daniela Sannwald

Heute 20 Uhr (Delphi), 9. 2., 12.30 Uhr (Cinestar), 11. 2., 15 Uhr (Cubix)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false