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Pauline Kael

© 29Pictures / Berlinale

Berlinale-Film über Pauline Kael: Die Päpstin des Kinos

Selbst Topregisseure fürchteten die beißende Schärfe der Filmkritikerin: „What She Said: The Art of Pauline Kael“ im Panorama.

Sie liebte die Kinoheldinnen der dreißiger Jahre, schrieb Werbeslogans und schlechte Theaterstücke (sagen die, die sie gelesen haben), bevor sie sich als Frau in einem Männerklub behauptete: die Kritikerin Pauline Kael. Ihren Einstand gab sie mit einem Verriss von Chaplins „Limelight“, feierte dann die New-Hollywood-Jungs um Martin Scorsese, markierte „Bonnie & Clyde“ als Zeitenwende und lehnte Horrorfilme ab, weil sie New York schon horribel genug fand. Ihre herbe Kritik an Lanzmanns „Shoah“ brachte ihr selbst herbe Kritik ein: Pauline Kael war die Filmkritiker-Päpstin der USA. Von den späten Sechzigern bis 1991 schrieb sie für den „New Yorker“, sie starb 2001.

Kael wurde hofiert und verteufelt, selbst Topregisseure fürchteten ihre beißende Schärfe. In Rob Garvers Porträtfilm „What She Said: The Art of Pauline Kael“ kann man sie sehen, Briefe von John Huston, Louis Malle, Steven Spielberg – man stellte sich besser gut mit dieser Frau. Garvers Dokumentation geht mit hohem Tempo zu Werke: Bewunderer wie Quentin Tarantino und Paul Schrader äußern sich, zahlreiche Weggefährten, weitere Filmschaffende und „Paulettes“ (ihre Epigonen), man kommt kaum hinterher. Talking Head folgt auf Talking Head und, noch rasanter, Dutzende von Filmzitaten, die Kaels Werdegang illustrieren und ironisieren. Schöne Idee: Die Filme kommentieren die Kritikerin, nicht umgekehrt.

Ob es ihr gefallen hätte, die schnelle Montage, die Werbe-Ästhetik? Auch „Time“-Chefkritikerin Stephanie Zacharek kommt im Film zu Wort. 2018 war sie Mitglied der Berlinale-Jury, auch dieses Jahr besucht sie das Festival. Beim Gespräch im Café meint Zacharek, ja, Kael hätte es gefallen, dass jemand einen Film über sie dreht, Eitelkeit gehört zum Beruf. Zacharek wuchs mit Kaels Texten auf, die Sprachgewalt und Subjektivität beeindruckten sie. Anfang der Neunziger freundete sie sich mit der Kritikerin an, erinnert sich an sie als offenherzige, streitlustige Kollegin. „Männer hatten nur das Problem, dass sie keine Chance hatten, einen Schlagabtausch mit ihr zu gewinnen. Sie war einfach die Klügere.“ Ein bisschen beneidet sie Kael auch, wegen der geringeren wöchentlichen Filmstarts. Und wegen der Zeit, die man sich vor der Internet-Ära beim Schreiben lassen konnte.

Kael hatte auch Geldsorgen, scheiterte an einem Drehbuch-Versuch mit Warren Beatty, litt unter Parkinson. Weitere Schattenseiten lassen sich bei den Äußerungen ihrer Tochter Gina James (die für die 2011 erschienene Kael-Biografie von Brian Kellow keine Auskunft geben wollte) erahnen. Die Frau hinter der Ikone lernt man nicht kennen in Garvers Film. Und denkt an einen berühmten Kael-Satz: „Es gibt so wenige Filme, die große Kunst sind, dass es kaum Gründe gäbe, sich für sie zu interessieren, wenn wir nicht auch den Trash zu schätzen wüssten.“

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