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Zwangsversetzt: Kommissarin Elisabeth (Angeliki Papoulia).

© Kiki Papadopoulou

Berlinale-Film „The Miracle of Sargasso Sea“: Wenn das Wüten nicht mehr hilft

Metaphernstau in Hellas: „The Miracle of Sargasso Sea“ von dem griechischen Regisseur Syllas Tzoumerkas im Panorama.

Die Menschen sind nicht freundlich zueinander in diesem Film. Es wird beleidigt, geprügelt – und auch, wenn es mal nicht offen aggressiv zugeht, sind die Dialoge im griechischen Panorama-Beitrag „The Miracle of the Sargasso Sea“ frei von Empathie. Statt einer Begrüßung haut Dorf-Polizistin Elisabeth (Angeliki Papoulia) den Kollegen erst einmal Kraftausdrücke um die Ohren.

In einem Prolog lernen wir diese Elisabeth noch als selbstbewusste junge Kommissarin in Athen kennen, zehn Jahre später, nach einer Strafversetzung in die griechische Pampa, ist nur noch Bitterkeit und aufgestaute Wut übrig. Die Kratzbürstigkeit aller Figuren zeigt Regisseur Syllas Tzoumerkas mit sperriger Erzählweise und einer Ästhetik mit Mut zur Hässlichkeit.

Tzoumerkas war Teil der „Greek Weird Wave“, die vor etwa zehn Jahren mit Filmen wie „Dogtooth“ und „Attenberg“ für Aufsehen sorgte. Eine neue Generation von Filmemachern übersetzte die offensichtlich gewordenen Abgründe der griechischen Gesellschaft in ein Kino, das sich gelungener Kommunikation und transparenter Filmsprache offensiv verweigerte. Das leidenschaftlich Asoziale oder bewusst Erratische erschien als künstlerische Antwort auf die nationale Katerstimmung.

Nichts als angestaute Wut

Das titelgebende „Wunder“ findet auch in Tzoumerkas’ Film nur auf symbolischer Ebene statt. Die Sargassosee ist ein Gebiet im Atlantik, in das jedes Jahr Massen von Aalen strömen, um zu sterben. Rita, die zweite Protagonistin des Films, arbeitet in einer Aalfabrik, tötet also jene, die eigentlich nur fliehen wollen. Als die Schicksale von Rita und Elisabeth spät im Film durch ein Verbrechen miteinander verknüpft werden, ist der Exodus der Aale längst als Metapher für den Fluchtwunsch zweier Frauen aus einer männlich dominierten Hölle erkannt.

Vielleicht hat auch die „Greek Weird Wave“ den Exodus angetreten. Ihr berühmtester Vertreter Yorgos Lanthimos ist in Hollywood gelandet, sein Film „The Favourite“ wurde für zehn Oscars nominiert. Tzoumerkas’ neuer Film ist zwar „weird“ und dabei durchaus faszinierend, büßt aber im Vergleich zu seinem Vorgänger „The Blast“ einiges an Schlagkraft ein. Lebte dieser Film tatsächlich aus nichts als aufgestauter Wut, wird „The Miracle of Sargasso Sea“ in allzu bekannte Krimi-Bahnen überführt und bleibt auf dem Weg dahin im Metaphernstau stecken.

11.2., 17 Uhr (Cubix 9), 13.2., 22.30 Uhr (CinemaxX 7), 16.2., 17 Uhr (Cubix 9)

Till Kadritzke

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