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Berlinale-Chef Dieter Kosslick

© ddp

Berlinale-Ausblick: „Gutes Essen ist ein Menschenrecht“

Die 59. Internationalen Filmfestspiele versprechen ein Rekord-Programm. Am Dienstag gab Berlinale-Chef Dieter Kosslick den Film "My One And Only" mit US-Schauspielerin Renée Zellweger als letzten von insgesamt 26 Filmen bekannt. Und Kosslick agiert als Food-Aktivist.

Um mit den Zahlen zu beginnen: Einen Einreichungsrekord verkündet Berlinale Chef Dieter Kosslick auf der traditionellen Pressekonferenz eine Woche vor Festivalstart, die angesichts des überbordenden Programms und Podiums immer mehr zur Verlautbarungsveranstaltung wird. Über 6000 Filme hätten sich in diesem Jahr beworben, das sind fast tausend mehr als im vergangenen Jahr. Die Zahl der ausgewählten Filme hingegen ist etwas gesunken: 1238 sind es in diesem Jahr, 1256 waren es 2008. 76 Filme immerhin sind von Frauen gedreht, Spitzenreiter dabei die Jugendreihe Generation, die mit 26 Regisseurinnen punktet. Außerdem sind – Rekord! – 98 deutsche Filme auf dem Festival vertreten, wenn auch vor allem in Neben- und Special-Reihen. Im Wettbewerb konkurrieren Hans-Christian Schmids Den- Haag-Politdrama „Sturm“ und Maren Ades „Alle Anderen“. Der aus 13 Kurzfilmen deutscher Regisseure von Fatih Akin bis Hans Weingartner bestehende „Deutschland 09“ läuft außer Konkurrenz.

„Deutschland 09“ liefert, angelehnt an „Deutschland im Herbst“ von 1977, eine aktuelle Bestandsaufnahme 20 Jahre nach Mauerfall. Das politische Jubiläum wird außerdem in einer eigenen Reihe „Winter ade“ gewürdigt, mit Wendefilmen aus der DDR und den damaligen Ostblockstaaten, in denen schon etwas wie die Frühlingsluft der Freiheit zu spüren ist. Und auch sonst gibt es in diesem Jahr das eine oder andere Jubiläum: Das Panorama feiert 30 Jahre Programm und zeigt als Highlight Gus van Sants Politikerbiographie „Milk“, dazu zehn Jahre Publikumspreis, Claude Chabrol erhält eine Berlinale-Kamera – sein Film „Les Cousins“ gewann vor 50 Jahren den Goldenen Bären –, auch Günter Rohrbach und der 100-jährige Manoel de Oliveira werden geehrt, und Beki Probst vom Europäischen Filmmarkt feiert ihr 20. Jubiläum.

Apropos Filmmarkt: Das allgegenwärtige Thema Finanzkrise hat die Berlinale, so die offizielle Erklärung, nicht beeinträchtigt. Die Sponsoren halten ihr die Stange, ja, es ist sogar ein neuer, ein chinesischer Schmuckfabrikant, hinzugekommen, und die 6,3 Millionen Euro Bundesetat sind sicher, auch wenn Kosslick dafür heute noch einmal im Deutschen Bundestag vortanzen muss. Dafür ist das Thema inhaltlich umso stärker präsent: Filme über Welthunger und Weltbanken, Globalisierungsfolgen und Welternährung finden sich in fast allen Reihen, in Dokumentar- ebenso wie in Spielfilmen, Tom Tykwers in Berlin und Babelsberg gedrehter Eröffnungsfilm „The International“ über die kriminellen Machenschaften einer internationalen Großbank wirkt angesichts der aktuellen Entwicklung thematisch schon fast veraltet.

„Filme sind Seismographen“, erklärt Kosslick die auffällige Aktualität, und er hat als Hobby-Seismograph schon gleich die nächste, mindestens so weltbedrohliche Katastrophe im Blick: Auf die Krise der Finanzmärkte werde die Krise der Ernährungsmärkte folgen, so der Überzeugungstäter in Sachen Food-Cinema. Und gerät daher erst bei der Vorstellung der zum dritten Mal stattfindenden Reihe „Kulinarisches Kino“ richtig in Wallung: Der Eröffnungsfilm „Food, Inc.“ über die Missstände in der Lebensmittelproduktion ist für ihn offenbar der wichtigste Film der Berlinale, das Schicksal der genmanipulierten Tomate ein Herzensanliegen. Denn, so Kosslick: „Gutes Essen ist ein Menschenrecht.“

Gutes Kino hoffentlich auch. Mit 18 Wettbewerbsfilmen – als letzter kam Richard Loncraines Fünfziger-Jahre-Melodram „The One and Only“ mit Renée Zellweger hinzu – ist das Hauptprogramm zwar eher schmal bestückt, dafür ist in den Nebenreihen, von „Effi Briest“ bis „John Rabe“, von „Hilde“ bis zum neuen Chabrol, allerlei Prominenz versteckt. Das Thema der Retrospektive, 70-Millimeter-Kino, verspricht, zumal im original ausgestatteten International, den einen oder anderen Farb- und Bilderrausch. Die Jury, angeführt von Tilda Swinton, ist mit so unterschiedlichen Köpfen wie Christoph Schlingensief, Henning Mankell und der Food-Aktivistin Alice Waters bestimmt für Überraschungen gut, und in Sachen Stars auf dem roten Teppich ist bis auf Naomi Watts, die mit ihrem sechs Wochen alten Kind nicht reisen will, von Ralph Fiennes über Kate Winslet, Monica Bellucci, Gael García Bernal, Keanu Reeves, Michelle Pfeiffer, Demi Moore, Julia Jentsch und Clive Owen genügend Prominenz vertreten.

Christina Tilmann

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