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Bonjour Tristesse. Die Jannowitzbrücke, 1983 von Ursula Strozynski in einer Radierung festgehalten.

© Galerie Nierendorf

Berlin, Hamburg, Kroatien: Drei Maler widmen sich in der Galerie Nierendorf der Stadtlandschaft

Große Linien, von der U-Bahn in Berlin bis zum Wasserlauf der Nordsee: Drei Künstler spüren in einer Berliner Schau der Poesie des Urbanen nach.

Es ist schon etwas gewagt, eine Verkaufsausstellung unter einem Thema zu kuratieren, wie es gewohnt umsichtig Susanne Trierenberg in der Galerie Nierendorf tut. „Stadt und Meer“ heißt die Schau mit Bildern dreier Künstler, die sich, wenn auch mit markanten Stilunterschieden, dem umstrittenen Genre der „Stadtlandschaft“ widmen: Günter R. Kokott, Manfred Pietsch und Ursula Strozynski.

Erstaunlich sind die Gemeinsamkeiten schon in der Motivwahl. Große Linien: U- und S-Bahn-Trajekte, Brücken, Wasserläufe, die für den, der in ihrer Nähe wohnt, natürlich im Meer enden: für Kokott am Nordseestrand und im Hafen Den Oever (Dalmatien), für Strozynski in Hamburg. Alle drei haben, neben ihrer künstlerischen Ausbildung, Architektur oder Bauwesen studiert, weshalb sich ihre Bilder durch große Raumtiefe auszeichnen.

Kokotts Aquarelle fallen durch ihre ausdrucksstarke Farbigkeit auf. Er war an der Berliner Kunstakademie unter anderem Schüler von Max Kraus, einem Spätexpressionisten und Freund Erich Heckels. Die Bilder entstehen zumeist vor Ort, werden manchmal noch mit Aquarellstift konturiert. Die Gemälde hingegen gestaltet Kokott nach Skizzen im Atelier.

„Mein Ideal ist, farbig zu zeichnen“, sagt er. „Wenn man zuerst eine kräftige Farbe aufs Blatt setzt, muss man darauf reagieren und vermeidet kleinliche Pinselei.“

Für einen gebürtigen Kreuzberger sind die Bahnanlagen der U1 und der Landwehrkanal die Schlagadern des Bezirks. An der Möckernbrücke und am Kottbuser Tor, U-Bahnhof Prinzenstraße, Lausitzer Platz hat er mehrmals gesessen. Stadttechnik und Stadtraum sind Schlüsselworte, wenn man die Bilder erklären wollte.

Sprechende Bilder

Sie erzählen eigentlich nicht, aber sie sprechen. Von ihnen geht eine eigene Poesie aus, die in der Freude an pittoresken Orten ihren Ursprung hat. In den Hochbahnbauten dominiert ein sattes Blau, in „Erinnerung an Split“ (2000 Euro) ein starkes Gelb – und hat bei aller Intensität durchaus Charme.

Die Bilder von Manfred Pietsch sind farblich verhaltener, fast etwas melancholisch, was auch in der Herkunft begründet ist. In seiner Dresdner Zeit von Ernst Hassebrauk beeinflusst, wird während des Abendstudiums an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Harald Metzkes sein wichtigster Wegbegleiter.

[Galerie Nierendorf, Hardenbergstr. 19; bis 3. April 2020, Di–Fr 11–18 Uhr]

Motive, die wir bereits von Kokott kennen, erscheinen in harmonischen Grau-Braun-Tönen. Im Gegensatz zu dem grandiosen „Stillleben mit Friedrich“ (3600 Euro), dessen explosive Farbigkeit sofort beeindruckt. Gern arrangierte der 2015 verstorbene Pietsch Gegenstände, die ohne inhaltliche Beziehung nebeneinanderstehen – Geigen, Äpfel, Handys und Statuetten –, und bringt so einen leisen Humor in die Arbeiten.

Sein Spätwerk ist lichter, glänzt auch durch eine präzisere Zeichnung der Gebäude. Stadtansichten wie „Kupfergraben“ (400 Euro) oder „Schloß Wiepersdorf“, Seelandschaften und vor allem die mecklenburgischen Auen ruhen in sich. Der weite Blick ist auch hier die Konstante.

Aufs Wesentliche reduziert

Die Dritte im Bunde, Ursula Strozynski, in ihren frühen Jahren ebenfalls vom Kunstzentrum Dresden geprägt, seit 1977 in Berlin, betont mehr, besonders in den Hafenbildern, die grafischen Elemente der Objekte. Die Motive, teilweise Ton in Ton unterlegt, werden auf das Wesentliche reduziert. Sie zeigt uns Gegenden einer Stadt, die eher trostlos wirken mit Baustellen, Brandmauern, Zäunen, einer verlassenen Bahnhofshalle im Lichtflimmer der Morgensonne, die Berliner Mauer.

Obwohl sich die Bilder zumeist in großer Stille präsentieren, geht von ihnen eine Unruhe aus, die den Betrachter bannt. Von äußerster Sparsamkeit des Strichs sind Strozynskis Radierungen aus Andalusien (300 Euro) und, sanft aquarelliert, ihre Impressionen von Regatten. Der Vergleich der Ausdrucksweisen bietet sich angesichts der Parallelen bei den Motiven geradezu an.

Jens Grandt

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