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Das Berliner Stadtschloss mit dem Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I., um 1910.

© imago stock&people

Berlin-Bücher: Die Liebe zum Pflasterstein

Mönchsklausen mit Zentralheizung, eine scharfe Sprengpatrone: Das Schlossareal barg viele Geheimnisse. Zwei Archäologen haben sie gelüftet.

Die Zentralheizung gilt dem Laien, der bei Kälte ein paar Ventile öffnet und sich um die Technik nicht weiter schert, als relativ neues Verfahren, den Winter zu überstehen. Weit gefehlt! Schon die Dominikanermönche, die im 14. Jahrhundert südwestlich ans spätere Schlossareal grenzend ein Kloster gründeten, mochten auf Wärme beim Beten nicht verzichten und setzten auf die „Steinkammerheizung“. Das war ein System von Heizkanälen, im Zentrum eine Kammer mit Feldsteinen. Diese wurden über einem Feuer erhitzt, danach schloss man den Rauchabzug, öffnete die Heizkanäle und ließ kalte Luft über die Steine strömen, die nun ans System angeschlossenen Räume temperierte. Ein zeitaufwendiges Verfahren, im Ergebnis kaum mit heutiger Heiztechnik vergleichbar, aber immerhin.

Reiterspiele am Schloss. Der um 1592 entstandene Kupferstich zeigt den Stechbahnflügel des Renaissanceschlosses anlässlich eines Ringrennens.
Reiterspiele am Schloss. Der um 1592 entstandene Kupferstich zeigt den Stechbahnflügel des Renaissanceschlosses anlässlich eines Ringrennens.

© akg-images / promo

An die Mönche erinnert heute die Brüderstraße, an ihr Heizsystem ein Verschlussdeckel aus Keramik, der bei den von 2008 bis 2015 dauernden Ausgrabungen am Schlossplatz gefunden wurde und nun als rußgeschwärztes Detail auch Aufnahme in dem Band „Das Berliner Schloss. Geschichte und Archäologie“ gefunden hat. Darin zeichnen die beiden Autoren Michael Malliaris und Matthias Wemhoff die Geschichte des Schlosses von der Grundsteinlegung 1443 bis zum Abriss 1950 nach, haben dabei auch die noch schlosslose Frühzeit der Stadt sowie den Weg zum Humboldt-Forum im Blick. Stadtkernarchäologe und Leiter der Ausgrabungen ist der Erste, Berliner Landesarchäologe und Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Zweite, zwei Männer vom Fach also, die die Entwicklung der Hohenzollernresidenz nicht nur Epoche für Epoche abstrakt nacherzählen können, sondern ebenso anhand der zahlreichen Fundstücke, die bei den von ihnen geleiteten Arbeiten aus dem Berliner Boden gebuddelt wurden. Das reicht von mittelalterlichen, aus Knochen geschnitzten Spielwürfeln oder Resten von Hacken und Spaten über die wieder aufgetauchte Pflasterung des Eosanderhofs aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, an der sich Friedrich Wilhelm IV. schon als Knabe ergötzt hatte, bis hin zu einer Sprengpatrone aus dem Jahr 1972, die offenbar bei den Vorbereitungen des Baugrunds für den Palast der Republik verwendet worden war, aber nicht gezündet hatte.

Doch trotz aller Akribie in der Beschreibung der verschiedenen Baustufen und der Fundstücke bleibt es schwierig, diese in der Imagination auf die gegenwärtige Stadtlandschaft zu übertragen. Der Trick der Autoren, damit es trotzdem klappt: eine Reihe von Karten zu den jeweiligen Epochen, darauf jeweils in Grau hinterlegt der Umriss des Humboldt-Forums. Und es klappt.

— Michael Malliaris/Matthias Wemhoff: Das Berliner Schloss. Geschichte und Archäologie. Elsengold Verlag, Berlin. 160 Seiten, ca. 100 Abbildungen, 24,95 Euro

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