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Blick ins Innere der Neuen Nationalgalerie in Berlin

© dpa/Jörg Carstensen

Berlin: Baustelle der Neuen Nationalgalerie zur Besichtigung frei

Vor 50 Jahren wurde die Neue Nationalgalerie errichtet - seit drei Jahren wird sie saniert. Am Wochenende nun dürfen Besucher einen Blick darauf werfen.

Gleich mehrere Bagger kurven auf der mit Sand bedeckten Terrasse vor der Neuen Nationalgalerie herum. Die sonst so eindrucksvolle Halle aus Stahl und Glas ist immer noch eingerüstet und rundherum mit grauen Planen verhängt. Der Innenraum sieht aus wie ein Wald aus Stahl mit unzähligen Stützpfeilern. Seit etwa drei Jahren wird Mies van der Rohes berühmtes Architekturdenkmal generalüberholt. Nun verkünden die Staatlichen Museen stolz den Eintritt in die letzte Sanierungsphase – außerdem gibt es etwas zu feiern. Das Wahrzeichen der Moderne wird an diesem Wochenende 50 Jahre alt.

Aus Anlass des Jubiläums können die Berliner sich ein Bild vom Baufortschritt machen. Wer sich rechtzeitig angemeldet hat – die Plätze sind wohl bereits rar –, kann die Mies-Baustelle am Samstag und Sonntag besichtigen. Lohnen wird sich das allemal, denn wenn das Haus 2020 wiedereröffnet, soll man gar nicht sehen, welch ein Aufwand betrieben wurde. „So viel Mies wie möglich“, lautet die Devise, die die Bauherren ausgerufen haben und der Bund sich 110 Millionen Euro kosten lässt. Das heißt für die Architekten im Büro David Chipperfield, dass sie extrem uneitel agieren müssen. Ihre Arbeit wird man nur an ganz wenigen Stellen im Haus sehen.

In der ersten Bauphase wurden 35 000 Originalbauteile des Gebäudes fein säuberlich demontiert, vom voluminösen Aluminiumdeckengitter der Haupthalle über die edlen Brauneichenholzpaneele der Garderoben bis zu den rund 14 000 Granitplatten, die sich an der Fassade des Sockels, auf der Terrasse und in der oberen Ausstellungshalle befanden. Alle Elemente, die Mies van der Rohe platziert hat, sollen im letzten Sanierungsschritt sukzessive wieder eingebaut werden. Das Puzzle wird wieder zusammengesetzt.

Das Glas konnte nur in China gefertigt werden

Man braucht viel Fantasie, um sich das angesichts des rohen Zustands der Ausstellungshalle vorzustellen. Die Fenster fehlen, ein Interims-Zwischenboden hängt unterm Dach. Diesen dürfen die Teilnehmer der Vorbesichtigung immerhin besteigen, mit den Händen das legendäre, nun sanierte Stahldach berühren und sehen, wo die neuen Zu- und Abluftkanäle installiert worden sind. Bald kommt das imposante, vor drei Jahren ganz vorsichtig entfernte Mies’sche Deckengitter wieder unters Dach. Dann ist alles wie vorher – nur dass die Raumlufttechnik so weit wie möglich den Standards des 21. Jahrhunderts entspricht. Zeichnungen wird man in der Glashalle trotzdem nie ausstellen können. „Kondensatbildung lässt sich hier nicht vermeiden“, sagt Michael Freytag, Architekt im Büro David Chipperfield. Auch nicht mit den neuen, doppelverglasten Fenstern und der sanierten Stahlfassade, die mit drei zusätzlichen „Dehnpfosten“ pro Seite ausgestattet wurde, damit die Scheiben bei wechselnden klimatischen Bedingungen nicht ständig reißen.

Die monumentalen Fenster werden wie im Originalzustand wieder durchgängige Flächen sein, was jahrelang nicht mehr so war. Noch sind sie nicht da. „Das Glas ist auf dem Seeweg“, sagt Arne Maibohm, Projektleiter beim für den Bau zuständigen Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Die 3,43 mal 5,60 Meter großen Fenster, die wegen ihrer enormen Maße nur von einem Hersteller in China gefertigt werden konnten, befinden sich schon in der Straße von Gibraltar, so Maibohm.

In der unteren Treppenhalle, wo die Ausstellungsflächen sind, ist ebenfalls noch alles rau und roh. Wo der kaputte Beton der Wände und Decken repariert werden musste, sind dunkle Stellen zu sehen, wie Pflaster. Auch hier kann man den Aufwand nicht erkennen, aber – der schwer beschädigte Beton ist nun fit für die nächsten 50 Jahre. Die früheren, seitlich gelegenen Depoträume wurden zu einer größeren Garderobe und einer Fläche für den Buchshop umgebaut. Hier sieht man ein paar neue Wände, die von den alten kaum zu unterscheiden sind, es wurde derselbe Kalksandstein verwendet wie bei Mies.

Der Architekt hatte den Museumsbau in den 60er Jahren als autarke Einheit geplant, Ausstellungsflächen, Verwaltung und Depot unter einem Dach. Die Autonomie soll bleiben. Unter der Terrassenfläche wurde deshalb eine neue 600 Quadratmeter große Depotfläche geschaffen, deren Rohbau fertiggestellt ist und darauf wartet, dass die ebenfalls neu konstruierten Schiebewandanlagen, die circa 1400 Kunstwerke aufnehmen können, eingebaut werden. Draußen werden an einer der sanierten Sockelmauern bereits die sorgsam eingelagerten Natursteinplatten aus Strigauer Granit wieder angebracht. Mit derselben unfassbar eleganten SechsMillimeter-Fuge, die Mies van der Rohe geplant hat. Die Demut vor dem Meister ist überall spürbar.

Öffentliche Baustellenführung am 15. und 16. September, Anmeldung erforderlich. Open-Air-Ausstellung mit Ausstellungsplakaten am Bauzaun. So 18 Uhr, Mies-Gottesdienst in St. Matthäus.

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