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Emeka Ogboh, 1977 in Nigeria geboren, macht Konzeptkunst mit Alkoholischem.

© Jürgen Schulzki

Berlin Art Week: Migration mit Gerstensaft

Emeka Ogboh kam vor vier Jahren als Stipendiat des DAAD nach Berlin und begann, Bier zu brauen. Ein Gespräch mit dem nigerianischen Soundkünstler.

Herr Ogboh, zur Documenta 14 in Kassel haben Sie erstmals ein eigenes Bier gebraut. Der Geschmack beruht auf den Erfahrungen in Deutschland lebender Afrikaner. Zur Berlin Art Week präsentieren Sie eine neue Sorte.

Ja, ein Bier für Wedding! Ich sehe es als fortlaufendes Projekt. Ich untersuche mit selbst gebrautem Bier, was Migration und Schwarzsein heute in Europa bedeutet.

Ihre Biermarke machte schon viel von sich reden. Sie heißt „Sufferhead“.

Der Begriff ist Pidgin-Englisch und steht in Nigeria für eine Person, die leidet. Viele Menschen in Deutschland sehen Afrikaner nur als Flüchtlinge, als Leidende, die aus ihrem Land abhauen. Das Wort verwende ich also mit einer gewissen Ironie. Wichtig sind auch die Fernsehspots und Plakate, die ich dazu kreiere.

Wie haben Sie das Weddinger Bier entwickelt?

An jedem neuen Ort beginne ich mit einer Recherche. Woher kommen Sie? Was essen Sie? Wie schmeckt Wedding? Wie riecht Wedding? Wie fühlt sich Wedding an? Auf der Basis dieser Daten habe ich die spezielle Rezeptur entwickelt.

Wie kann man aus solchen Aussagen einen Geschmack ableiten?

Eine Software filterte Schlüsselbegriffe aus den Antworten heraus. Das waren zum Beispiel Begriffe wie dreckig oder sauer. Wedding ist ein sehr vielfältiger Stadtteil mit vielen Ausländern. Und alle betrachten Wedding als ihre Heimat. Deshalb nenne ich das Bier „Beast of No Nation“. „Beast“ bezieht sich auf die rauen, ungezähmten Seiten von Wedding.

Sie sind doch eigentlich Soundkünstler.

Meine Arbeit dreht sich immer um Migration. Auch der Sound wurde zum Migranten. Ich brachte den fremden Sound aus Lagos in europäische Städte. Prozesse der Migration kann man auch in der Zubereitung von Speisen beobachten. Menschen, die außerhalb ihrer Heimat leben, müssen sich darum kümmern, wo sie vertraute Lebensmittel herbekommen oder wie sie bestimmte Zutaten durch regionale Produkte ersetzen.

Und wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, selbst Bier zu brauen?

Als ich das Bierbrauen für mich entdeckte, interessierte mich auch die ganze Politik rund um das Bier. Das geht los beim Reinheitsgebot. Bier ist nur Bier, wenn es auf eine bestimmte Art hergestellt wird. Nur Malz, Hopfen, Hefe und Wasser dürfen ins Bier. Hier gibt es Analogien zur Herkunft. Ein Kind mit schwarzer Hautfarbe, das in Deutschland geboren ist und deutsch ist, wird trotzdem immer gefragt: Woher kommst du? Bist du Deutscher? Ich stelle eine Verbindung her zwischen hiesigen Vorstellungen von Reinheit und den Erfahrungen schwarzer Migranten in Europa.

Wo machen Sie das Bier?

Ich experimentiere mit der Zusammensetzung des Bieres in meiner Küche. Für die Produktion arbeite ich mit lokalen Brauereien zusammen, im Wedding mit der Brauerei „Schneeeule“. Wenn es um Migration geht, ist nicht nur wichtig, was man als Migrant an einen Ort bringt, sondern auch, was man von dort an Einflüssen aufnimmt.

Interview: Birgit Rieger. Ein Gespräch „Über Gastro-Politik“ mit Emeka Ogboh gibt es am 26. 9., 16 Uhr in der Galerie Wedding, Müllerstr. 146/147, danach Verkostung im Klein Zaches, Antwerpener Str. 43.

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