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Starke Stimme. Die Künstlerin Iman Issa spricht offen über Ungleichheit im Kunstbetrieb.

© Mike Wolff

Berlin Art Week: Kein Geld für Liebe

Ein Gespräch mit der ägyptischen Künstlerin Iman Issa über den Einfluss des Marktes und Gleichberechtigung und Fairness im Kunstbetrieb.

Iman Issa spürt den Geschichten von Museumsobjekten nach. Was bedeuten historische Objekte in der Gegenwart, fragt sie mittels Installation, Video, Fotografie, Text und Skulptur. Zur Art Week sind Teile ihrer Werkserie „Lexicon“ in der DAAD-Galerie zu sehen .(Oranienstr. 161.) Issa, 1979 in Kairo geboren, kam 2017 mit einem DAAD-Stipendium aus New York nach Berlin. Ein Gespräch über die Bedingungen in der Kunstwelt.

Frau Issa, 2017 waren Sie für den „Preis der Nationalgalerie“ nominiert. Damals kritisierten Sie gemeinsam mit den anderen Nominierten, dass mehr über die Tatsache geredet wurde, dass sie alle vier Frauen waren als über die Kunst. Ein Zeichen dafür, dass es in der Kunstwelt noch an Gleichberechtigung mangelt?
Ja. Bei der Shortlist-Ausstellung zum Preis wurde das sehr deutlich, weil vier nicht einheimische Frauen nominiert waren. Die Betonung des Geschlechts und der Nationalität ist eine Reaktion auf ein sehr reales Problem: das des historischen Ausschlusses. Dieses Problem wird in vielen Teilen der Welt gerade wieder angeheizt, weil Frauenfeindlichkeit und Ultra-Nationalismus erneut aufleben, in einigen Fällen sogar direkt in den oberen Regierungsebenen. Ich verstehe, dass Institutionen sich bei einer solchen Kritik ein wenig in einer Zwickmühle befinden. Aber die besondere Hervorhebung von Geschlecht, Rasse und nationaler Herkunft hängt unmittelbar mit der Exklusion zusammen, auch wenn es wie das Gegenteil aussieht.

Ist das spezifisch für Berlin und Deutschland?
Nein. Das ist überall ein Thema.

Was fordern Sie?
Einen überlegteren und konsequenteren Umgang mit diesem Problem.

Ihr Protest galt auch der Tatsache, dass Künstler oft nicht für ihre Teilnahme an Ausstellungen bezahlt werden. Auch die damaligen Nominierten für den Preis der Nationalgalerie erhielten für ihre Ausstellungstätigkeit kein Honorar. Vielmehr wird argumentiert, dass der Preis und die Schau Aufmerksamkeit bringen und dadurch der Wert der Kunstwerke steigt. Eine gefährliche Annahme?
Ein Freund hat mich kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass kapitalistische Ökonomien eigentlich immer darauf aufbauen, dass bestimmte Tätigkeiten nicht bezahlt werden. Nicht um Kosten zu sparen, sondern als Teil einer Ideologie, es wirkt normal und ist schwer zu verändern. Sklaverei wäre ein Beispiel, historisch gesehen, aber es gibt auch viele aktuelle Fälle. Denken Sie an Hausarbeit, Kinderbetreuung, alle Tätigkeiten, die mit Liebe verbunden sind, wozu ich auch die Kunst zähle. Die Bezahlung von Künstlern erscheint mir notwendig, wenn man das übergeordnete System der Ungleichheit und Unterdrückung nicht unterstützen möchte.

Wie abhängig sind Künstler vom Kunstmarkt?
Der Einfluss des Marktes ist enorm und definiert in weiten Teilen das gesamte Feld. Aber nur mit Glück und Zufall verdient ein Künstler auf dem Kunstmarkt auch Geld. Einige – sehr wenige werden reich, aber die meisten arbeiten die ganze Zeit ohne Geld und Ressourcen, selbst sehr erfolgreiche Kollegen. Wenn ein Künstler sich nur finanzieren kann, indem er Werke verkauft, definiert das natürlich auch, wie und was Kunst sein kann.

Ihr Protest wurde gehört. In diesem Jahr erhalten die Teilnehmer der Shortlist-Ausstellung zum Preis der Nationalgalerie ein Honorar.
Ja, das Museum Hamburger Bahnhof war offen für unsere Kritik. Eine positive Veränderung. Ich hoffe, es setzt sich durch.

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