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Lee Buls Zeppelin schwebt im Lichthof des Gropius Baus. Der Titel der Arbeit lautet „ Willing To Be Vulnerable“.

©  Maxie Fischer

Berlin Art Week: Ein Kampf um Korea

Zum ersten Mal in Deutschland: Mit Lee Buls „Crash“ im Gropius Bau stellt sich eine großartige Künstlerin vor.

Das Gebirge aus schwarzem Fiberglas lädt zum Höhlenbesuch ein. Unter seinen Gipfeln öffnet sich ein Zugang, gerade hoch genug, um mit eingezogenem Kopf einzutreten. Drinnen glitzern die Spiegelscherben, mit denen das Gewölbe ausgekleidet ist. Lee Buls begehbare Skulptur gleicht einem Bunker für Grufti-Girls, inklusive Kopfhörern fürs Klangerlebnis. Nur eine Art Schießscharte erlaubt einen Blick ins Freie. Wer den Bunker verlässt, sieht sofort, dass er hier punktgenau steht. Draußen vor dem Fenster des Gropius Baus stehen Zeugnisse von Kaltem Krieg und NS-Zeit: Reste der Berliner Mauer und die Topographie des Terrors.

Unter dem Titel „Crash“ zeigt Lee Bul ihre erste Einzelausstellung in Deutschland. Stephanie Rosenthal, die neue Direktorin des Gropius Baus, hat Beispiele aus dem Werk der südkoreanischen Bildhauerin so klar arrangiert, dass sie sich leicht in ihrem historischen Zusammenhang erschließen. Nachdem die Retrospektive mit Lees Arbeiten aus den vergangenen 30 Jahren im Sommer in der Londoner Hayward Gallery zu sehen war, wo Rosenthal zuletzt wirkte, präsentiert sie sich nun in Berlin weitgehend chronologisch. Von frühen Performancekostümen, in denen Lee Bul Meeresmonstern glich, geht es unter „Cyborgs“ entlang, die in Gestalt unvollständiger Frauenkörper an Haken von der Decke hängen. Und weiter zu begehbaren Skulpturen und großen Plastiken, zu filigranen Modellen hochästhetischer Albtraumlandschaften, mit denen sie an politische Ereignisse erinnert oder Ideen der Moderne versinnbildlicht.

Wie ein silberner Wal

Kurze Wandtexte erläutern die Hintergründe. Zwei große Zeittafeln informieren über die Geschichte Koreas, die dortige Frauenemanzipation und das Leben der Künstlerin. Lee, 1964 geboren, wuchs als Tochter von Dissidenten auf. Während der Militärdiktatur durften ihre Eltern nur stark eingeschränkt an öffentlichem Leben teilnehmen. Die Teilung des Landes, das Erbe der Diktatur und die Transformation Südkoreas zur Demokratie sind Leitthemen ihres Werks. Ihre Performance „Abortion“, mit der sie 1989 das Tabuthema Abtreibung zur Aufführung brachte, ist als Film zu sehen.

Forderten die Sommerausstellungen der Berliner Festspiele im Gropius Bau das Publikum noch auf, ganz immersiv in hermetische Kunstwelten abzutauchen, sind historischer Kontext und Gegenwart jetzt präsent. Lees starke Arbeiten wirken mit dem graubraunen Berliner Stadtbild vor den Fenstern noch sinnlicher, noch stofflicher als ohnehin.

Dem Werk kommt die Archäologie-Schau dort nicht in die Quere. Wie ein silberner Wal schwebt Buls aufblasbarer Zeppelin über den im Lichthof ausgebreiteten Grabungsstücken. Er scheint, wider besseres Wissens um das rasche Ende der Luftschiffe, vor den Scherben der Vergangenheit in die Zukunft davongleiten zu wollen.

Gropius Bau, Niederkirchnerstr. 7, bis 13. 1.; Mi bis Mo 10–19 Uhr. Eröffnung am 28. 9., 19.30 Uhr

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