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Lehrt am Collège de France. Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy.

© Thilo Rückeis

Bénédicte Savoy über Museen: Plädoyer für radikale Transparenz

Kunst nicht nur für Privilegierte: Bénédicte Savoy erinnert sich an ihre ersten Besuche in Museen und reflektiert über ihren beruflichen Antriebe.

Manchmal braucht es einen Anstoß, um über sich selbst und den eigenen Werdegang nachzudenken. Bénédicte Savoy ist längst eine öffentliche Person, die mit ihrem Thema von Raub und Restitution von Kunstwerken einen Nerv der Zeit getroffen hat. Savoy, Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin und zugleich am Collège de France in Paris, ist mit dem Bericht über die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialem Kontext, den sie gemeinsam mit dem senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr für den französischen Staatspräsidenten Macron verfasst hat, ins volle Rampenlicht getreten, und so wird von der Öffentlichkeit die Frage nach ihrem Woher gestellt.

Die Irene und Sigurd Greven Stiftung in Köln, Eignerin des alteingesessenen Verlagshauses Greven, hat sie zu ihrer alljährlichen und nun in Buchform vorliegenden Vorlesung eingeladen. Savoy wählte als Thema – was sonst! – „Museen“, versehen mit dem Untertitel „Eine Kindheitserinnerung und die Folgen“. Diese Erinnerung betrifft eine Nachrichtensendung des französischen Fernsehens von 1978, die Savoy im Alter von sechs Jahren gesehen haben mag oder auch nicht, die ihr jedenfalls bei ihren Forschungen wieder auffiel und mit der sie den Bogen zu ihrem heutigen Beruf oder vielmehr ihrer Berufung schlug.

Die Sendung handelte von der Rückgabe von zu Kolonialzeiten geraubten Kulturgütern. Fast unmerklich springt Savoy in ihrer autobiografischen Skizze – im Büchlein mehr als in der Vorlesung im Kölner Schnütgen-Museum – zwischen den Jahren hin und her und schafft Verknüpfungen, die ihren Weg als folgerichtig, ja zwingend erscheinen lassen. So zitiert sie aus einem Interview, in dem der französische Philosoph Michel Foucault, der seinerzeit wie heute Savoy ans Collège de France berufen wurde, seine Erlebnisse aus der Studentenbewegung von 1968 rekapituliert, als er immerfort gefragt wurde: Von wo aus sprichst Du? Was heißen sollte: Wer bist du, Professor oder Aktivist? Und wo stehst du?

„Wir sind ungeduldig geworden.“

„Ich spiele keine Rolle und ich gehöre keinem Lager an“, verwahrt sich Savoy gegen den spätestens seit dem Macron-Bericht allgegenwärtigen Vorwurf der Parteilichkeit: „Ich plädiere lediglich für radikale Transparenz und Aufklärung.“ Ihre Selbstbetrachtung schließt mit den Worten: „Wir sind ungeduldig geworden.“ Man darf annehmen, dass diese Ungeduld auch mit ihren Studenten zu tun hat, die sie seit nun bald zwanzig Jahren in Berlin unterrichtet. „Ich sehe und höre, wie die 20-Jährigen von 2018 anders sind als die von 2010 und diese wiederum anders sind als die 20-Jährigen von 2000“, schreibt sie, naturgemäß ohne empirischen Beleg, aber doch mit „sicherem Gefühl, wie für die Jüngeren von heute die Frage nach der Herkunft (von Kaffee, Textilien, Möbeln, Handyteilen, aber auch von Kulturgütern) kardinal geworden ist. Sie wollen zunehmend wissen, wie am anderen Ende der globalen Welt unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis ihr Luxus entsteht.“

An einer anderen Stelle zitiert sie Rilke und dessen in Paris entstandenes Gedicht „Archaischer Torso Apollos“. Es endet mit den berühmten Zeilen: „da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.“ Solches Pathos ist Savoy bei dem, was sie schreibt und sagt, durchaus nicht fremd. Sie will, dass ihre eigene, positive Erfahrung mit dem Museum jedermann zugänglich ist: „Dem Reiz eines Objekts erliegen, berührt, beeindruckt, bewegt, überrascht werden von einem Gegenstand, den man im Museum erblickt (...) Diese Erfahrungen und viele andere dürfen nicht einzig den Erben einer asymmetrischen Geschichte vorbehalten bleiben, die darüber hinaus das Privileg der Mobilität genießen.“ Es ist dies das Leitmotiv von Bénédicte Savoy.

Bénédicte Savoy: Museen. Eine Kindheitserinnerung und die Folgen. Greven Verlag, Köln 2019. 72 S., 10 €.

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