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Superheld unter Superheld unter den Erfindern.Thomas Edison (Benedict Cumberbatch) hat mehrere Industrien begründet.

© Leonine

Benedict Cumberbatch spielt Thomas Alva Edison: Kurzschluss der Stromkrieger

Jetzt im Kino: Im Biopic „Edison – ein Leben voller Licht“ kämpft Benedict Cumberbatch als Elektrifizierer Amerikas mit harten Bandagen.

Wo Licht ist, muss auch Schatten sein. Der Kalauer sollte bei einem Historiendrama mit dämlichem deutschen Titel schon erlaubt sein. Wie wäre es statt „Edison – ein Leben voller Licht“ also mit „Edison – mehr nicht“, „Edison – unter Strom“, „Edison – die dunklen Tage“ oder „Kein Lichtspiel ohne Edison“?

Der Erfinderkönig Thomas Alva Edison hat neben Telegrafen und Glühbirne schließlich auch dem Grammofon und dem Kinematografen zum Durchbruch verholfen und damit gleich mehrere Industrien begründet. Trotzdem bestätigt sich wieder mal das Drama des Biopics, dass ein bemerkenswertes Leben noch lange keine spannungsreiche Erzählung garantiert.

Der Elon Musk des 19. Jahrhunderts

Was für ein genialer Selbstvermarkter der Elon Musk des 19. Jahrhunderts war, wird in Alfonso Gomez-Rejons Film gleich eingangs klar. Da dampft eine Lok aus New York hinaus aufs freie Feld. Als der Schaffner plötzlich bremst, stiebt ein effektvoller Funkenregen in die rabenschwarze Nacht. Eine Petroleumfunzel leuchtet einer fein gekleideten Bonzentruppe den Weg durch den Matsch.

Gespannte Stille, erwartungsvolle Mienen – Edison hat zur Präsentation seiner jüngsten Erfindung geladen. Er legt einen Schalter um und das Surren, Bitzeln und Strahlen unzähliger in Spiralform installierter Glühbirnen erfüllt die Luft. Vom gottgleichen Helligkeitsspender mit der Zigarre im Mund sarkastisch kommentiert: „Ich hoffe, Sie haben Ihre Scheckbücher mitgebracht.“

Das Hohelied der physikalisch-elektronisch-mechanischen Erfinderepoche während der Industrialisierung wird im Kino immer wieder gern gesungen. Seit einer Woche läuft das jüngste Filmporträt über eine Zeitgenossin Edisons, die zweifache Nobelpreis-Trägerin Marie Curie. Deren lebenslanger Kampf um Anerkennung als Wissenschaftlerin ist mit dem Popstar-Status von Edison kaum vergleichbar.

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Obwohl sich Regisseur Gomez-Rejon und sein Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch redlich bemühen, dem Charakter ein, zwei Brüche einzuziehen. Das überhebliche Genialische liegt dem Briten seit „Sherlock“, dem Alan-Turing-Biopic „The Imitation Game“ und seinem Marvel-Superhelden Dr. Strange ja sowieso im Blut. Und auch als Edison fegt er – trotz depressiver Anwandlungen – meist mit dem stechenden Blick und der quecksilbrigen Energie des Futuristen durchs Labor.

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In einer Szene darf Cumberbatch als geborener Erfinder-Unternehmer sogar ein wenig ironisch sein. Im Einstellungsgespräch bescheidet er dem serbisch-kroatischen Einwanderer Nikola Tesla (Nicholas Hoult) beim Handschlag: „Mister Tesla, wir machen alle zehn Tage eine kleine Erfindung und eine bedeutsame alle sechs Monate.“

Ein Anspruch, den Tesla, wie die Geschichte weiß, besser erfüllt hat als Edison, nur dass der Elektroingenieur und Physiker Tesla ein Totalausfall beim Monetarisieren seiner bahnbrechenden Patente war. „Edison“ würdigt ihn als verkanntes Genie, das an skrupellosen und fremdenfeindlichen Finanziers scheitert. Und schildert den Industriellen George Westinghouse (Michael Shannon) als seriösen, am Gemeinwohl interessierten dritten Spieler im Wettrennen um die Elektrifizierung Amerikas.

Gleichstrom oder Wechselstrom, wer gewinnt?

Im Zentrum von „Edison“ stehen die Jahre 1880 bis 1893. Da tobte die „Stromkrieg“ (oder im Englischen „War of the Currents“) genannte Schlacht der Elektrofirmen von Edison und Westinghouse, die unterschiedliche Systeme zur Energieübertragung favorisieren.

Edison setzt auf das Prinzip Gleichstrom, Westinghouse dagegen auf Wechselstrom. Beide bewerben sich um den Großauftrag für die Beleuchtung der Weltausstellung in Chicago 1892. Ein Showdown der Unternehmerhelden, den Westinghouse trotz der schmutzigen Tricks des Gegners am Ende gewinnt.

Stromkrieger. Westinghouse (Michael Shannon) und Edison (Benedict Cumberbatch) in Chicago.
Stromkrieger. Westinghouse (Michael Shannon) und Edison (Benedict Cumberbatch) in Chicago.

© Leonine

[In 13 Berliner Kinos, OmU: in den Kinos Kulturbrauerei und Passage]

Der Preis des Ruhms, das Genie als Verbrecher, Ehrgeiz kommt vor dem Fall: Gomez-Rejon bemüht die gängigen Topoi. Edison wandelt sich unter ökonomischem Druck vom Idealisten, der Aufträge der Rüstungsindustrie ablehnt und mit seinen Erfindungen niemanden auf dem Gewissen haben will, zum amoralischen Lügner, der Ingenieure schmiert und die Öffentlichkeit manipuliert.

Er tötet vor Journalisten Katzen, Hunde und Elefanten, um den Wechselstrom als gefährlich zu verleumden. Und will dem Konkurrenten gar die Erfindung des elektrischen Stuhls in die Schuhe schieben. Da ist er im Film schon lange kein Sympathieträger mehr.

Das Tempo einer rastlosen Zeit

Kameramann Chung-hoon Chung kleidet das Fortschrittsfieber in opulente Bilder, kontrastiert die spektakuläre Erfindung des Kunstlichts mit vorindustrieller Düsternis und schwelgt in Fabriken und Labors in der dampfenden Ästhetik des mechanischen Zeitalters.

Verschneite Landschaftspanoramen aus dem Computer, durch die der Erfinder einsam schreitet, verstärken die weihevolle Aura. Dem gegenüber stehen ruppige Perspektivwechsel und eine dynamische, unablässig die Settings durchstreifende Kamera. Zusammen mit dem treibenden Streicher-Score erzählt sie vom Tempo einer rastlosen Zeit. „Der Mann, der den Strom beherrscht, beherrscht die Zukunft“, orakelt Edison. Doch die Kamarilla des Geldes hat er vergessen.

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