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Felix Zimmermann.

© epa efe Echezarreta/dpa

Beethoven in der Philharmonie: Jedem Anfang wohnt ein Ende inne

Frank Peter Zimmermann und Martin Helmchen spielen Beethovens Violinsonaten in der Berliner Philharmonie

Erst begleitet er sie, dann sie ihn: Aus der Ebenbürtigkeit von Geige und Pianist macht Ludwig van Beethoven schon in den ersten Takten seiner ersten Sonate für Violine und Klavier keinen Hehl. Die Augenhöhe ist Programm, Mozart fing damit an, Beethoven setzt es fort.

Gerne wäre man ihrem Zwiegespräch allerdings näher, Frank Peter Zimmermanns schlankem, apartem Ton und Martin Helmchens quirlig-pointiertem Klavierpart. Ihr unprätentiöses, traumwandlerisch einmütiges Spiel verliert sich manchmal in den Weiten der Philharmonie.

Aber die akustische Distanz passt frappierend zu den drei Sonaten op.12 und zur a-Moll-Sonate op. 23. Da ist sie wieder, wie bei Igor Levits Klaviersonaten-Gesamteinspielung: Beethovens Kunst, sich beim Komponieren über die Schulter zu schauen, innezuhalten oder sich unwirsch ins Wort zu fallen, die Perspektive zu wechseln und sich gleich wieder auszubremsen, zu stocken, zu zweifeln.

Wie gesagt, der Geist Mozarts und ein Hauch von Schuberts „Winterreise“ schweben über den früheren der zehn Beethoven-Violinsonaten, deren Aufführung an drei Abenden Zimmermann und Helmchen zum Beethoven-Jahr beisteuern und die sie auch bereits eingespielt haben.

Das erste Album mit den Sonaten des Auftaktkonzerts ist vor wenigen Wochen beim Label Bis erschienen (wobei sie auf der CD energischer zupacken als in der Philharmonie). Gleichzeitig unterläuft Beethoven die Formensprache seiner Zeit. Einmal mehr ist die Melodie, der ausgreifende, sich entwickelnde Gesang nicht seine Sache. Sondern das griffige Motiv, die variierende Wiederholung oder Sequenz, das Baukastenprinzip mit knappen Modulen und mal lyrischen, mal furiosen, mal ironisierenden Einschüben.

Beethoven sprengt die Konventionen

Zimmermann und Helmchen gelingt es, jede Kurzatmigkeit dabei zu vermeiden und die Selbstreflexionen sinnfällig zu machen, ohne dass die Sinnlichkeit leidet. Alleine die Spielereien mit den Sekund-Glucksern zu Beginn der A-Dur-Sonate op. 12 Nr. 2!

Oder das ausnahmsweise doch ausgreifende kantable Thema im Adagio der Es-Dur-Sonate, das Helmchen ins merklich Fahle wendet. Oder die feine, nachdenkliche Volte vor dem derben Schlussakkord im Rondo.

Noch deutlicher sprengt Beethoven in op. 23 die Konventionen. Das Kopfthema ein Überfall, dann ein Abdriften in Tagträume, es folgen harsche Akzente und Synkopen, als reiße sich da einer am Riemen.

Das Andante scherzoso zitiert heiter seufzend Gassenhauer-Floskeln. Auch das Schlussallegro verläuft immer wieder im Sande, bis zum Wutausbruch über all die verlorene Energie. Und doch verdämmert der Satz im Piano. Jedem Anfang wohnt ein Ende inne und umgekehrt.

Wenn er wollte, konnte er natürlich: Dass Beethoven sehr wohl Melodien zu zaubern vermochte, beweist die Zugabe mit dem Adagio aus der Frühlingssonate. Beim nächsten Zimmermann-Helmchen-Abend am 23. November wird sie vollständig erklingen.

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