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Kämpften immer für ihr Recht auf Party: Die Beastie Boys 1987

© imago/ZUMA Press

Beastie Boys-Buch: Mal ein bisschen Lärm machen

Michael Diamond und Adam Horovitz erzählen in einem tollen Buch die Geschichte der Beastie Boys, des Hip-Hops - und von New York in den Achtzigern.

Als die Beastie Boys 1992 erstmals eine Tour in Australien machten, lange nach ihrem Welterfolg „Fight for your right (to party)“, hatten sie bis zu ihrem ersten Konzert noch drei Tage Zeit. Was einem der drei Beastie Boys, Adam Yauch, nur gelegen kam. So konnte er mit ein paar Unbekannten, die er auf dem Flug kennengelernt hatte, noch schnell einen Snowboard-Trip machen. Kurz vor dem Soundcheck sei er wieder da, erklärte er seinen verblüfften Bandkollegen Adam Horovitz und Michael Diamond: „Was?!“, „Wie?“, „Nicht dein Ernst?“.

Doch letztendlich hatten sie sich an solch spontan-irre Aktionen von Yauch lange gewöhnt: „Er traf sich mit Gleichgesinnten und ging mit Ihnen Snowboard fahren. Aber nicht so wie normale Leute das tun. Er hatte irgendwo jemanden getroffen, der jemanden in Alaska kannte, und der wiederum flog sie mit einem Hubschrauber auf einen völlig jungfräulichen Berg, und sie sprangen mit ihren Boards an den Füßen aus dem Hubschrauber und rauschten den Hang herunter.“

Adam Yauch ist 2012 nicht bei solchen halsbrecherischen Aktivitäten gestorben, sondern an den Folgen eines Ohrspeicheldrüsentumors. Sein Tod bedeutete das Ende einer der innovativsten, bis dato unpeinlichsten und in Würde alternden Bands der Pop-Geschichte; einer Band, die mit Punk groß geworden war, mit Bands wie den Bad Brains oder Black Flag, aber sich sehr für den aufkommenden Rap und Hip-Hop begeisterte. Und die dann Punk und Rap miteinander vermengte und dazu später ordentlich Funk und Elektroklimbim beigab.

Die Beastie Boys machten sich gleichermaßen über Rap und Rock lustig

Dass Horovitz und Diamond jetzt in einem fast 600 Seiten starken, üppig mit Fotos und Illustrationen versehenen Buch noch einmal die Geschichte der Beastie Boys schreiben, dürfte nicht zuletzt mit dem Tod ihres Bandkollegen und Freund und der Erinnerung an ihn zu tun haben. Es beginnt mit ihm, „Aber Adam Yauch...? Ein Rätsel. Ein Mysterium. Ein Labyrinth von Ideen und Emotionen“; es endet mit ihm, mit ihrem letzten gemeinsamen Auftritt und seinem Mixtape (unter anderem mit den Buzzcocks, den Beatles, Linton Kwesi Johnson oder Bob Dylan); und natürlich spielt Adam Yauch auch sonst eine der Hauptrollen in den vielen Geschichten, die Horovitz und Diamond hier im steten Wechsel erzählen.

Das Beastie-Boys-Buch ist also vordergründig ein Yauch-Requiem, ein Buch über eine lebenslange Freundschaft. Und noch vieles mehr: die Geschichte nicht nur einer Band, sondern die einer Stadt, New York City, zu einer bestimmten Zeit. Und die eines Sounds, der sich stetig weiter entwickelte, nicht zuletzt mit Hilfe der Beastie Boys – und von dem die Band sich in der Folgezeit wieder fortentwickelte, um bei Großveranstaltungen wie Lollapalooza gewissermaßen zwischen allen Sounds zu musizieren. Die Beastie Boys, das waren die drei weißen Jungs aus jüdischen Familien, die Rap-Musik für ein Publikum machten, das damit nicht so viel anfangen konnte: für ein Rock-und Indierock-Publikum, Eine Band, die oft die besten Beats und Samples auf ihren Alben hatte, aber Rap wie Rock gleichermaßen immer wieder zu parodieren verstand.

"Für einen aufblasbaren Penis und ein Go-go-Girl im Käfig war in meinem feministischen Hirn kein Platz"

Das Buch bildet die Durchgedrehtheiten der Beastie Boys, ihre pubertären und postpubertären Lustigkeiten kongenial ab, genauso den Sample- und Schnipselwahnsinn ihrer insgesamt acht Alben. Die Anekdoten von Diamond und Horovitz werden vielfach unterbrochen von Zwischenspielen, von gezeichneten Einschüben, Mixtapes, Playlists und vor allem den Eindrücken anderer Personen aus dem Umfeld der Band.

Zum Beispiel von dem Regisseur Spike Jonze, der 15 eigene Beastie-Boys-Bilder beisteuert, die Band Anfang der neunziger Jahre kennenlernte und mit ihnen 1994 das berühmte Video zu ihrem Stück „Sabotage“ drehte: "Um sie herum war immer eine kreative Blase, von der man aufgesogen wurde, wenn man das Glück hatte, dicht genug an sie heranzukommen. Ich war Anfang zwanzig und hatte das Gefühl in einem Traum zu leben.“

Oder es dokumentiert der Schriftsteller Colson Whitehead die Oral History des frühen, obskuren Beastie-Boys-Stücks „Cookie Puss“, dessen Titel sich auf eine Eiscremetorte bezog. Eine der von Whitehead versammelten Stimmen sagt: „Es gibt die unterschiedlichsten Leute in dieser Stadt. Das macht sie so einzigartig. Es gibt Schwarze Puerto-Ricaner, Italiener, Juden, Eiscremetorten. Und sie alle sind Instrumente in der Symphonie dieser Stadt.“

Und die Schlagzeugerin Kate Schellenbach, die zunächst mit Yauch und Diamond in deren erster Band spielt, den Young Aborigines, später bei Luscious Jackson, erzählt, was sie von dem bei der „Licensed-To-Ill“-Tour zum Einsatz kommenden hydraulischen Penis hielt: „Sie luden mich immer zu ihren Gigs in New York ein, doch für einen aufblasbaren Penis und ein Go-go-Girl im Käfig war in meinem feministischen Hirn einfach kein Platz. Dieses Dumpfbacken-Gedröhne war genau das, worüber wir uns als junge Punks immer lustig gemacht hatten.“

Adam Yauch starb 2012 an einem Tumor - seit dem gibt es die Beastie Boys nicht mehr

Wie so häufig in Bandbiografien ist auch hier die Erzählung von den Anfängen die spannendste, aufschlussreichste. Zumal sie im Fall der Beastie Boys die Atmosphäre von New York City in den achtziger Jahren wiederspiegelt. „Wir waren Downtown–Kids“ schreibt Diamond, obwohl ihre Familien aus allen Teilen der Stadt stammten und sie erste Proben in dem Elternhaus von Adam Yauch in Brooklyn Heigths absolvierten.

Und als solche Kids von 17, 18 Jahren trieben sie sich in der heruntergekommenen, vor allem von Drogenverkäufern und Drogenkonsumenten bevölkerten Lower Eastside herum, speziell in Läden wie der Danceteria, „der Downtown-Ausgabe vom Studio 54“, der Rock Lounge oder dem Negril – und einmal und ungern auch auf dem noch gefährlicheren, zwielichtigeren Times Square mit seinen vielen „obszönen Onanisten“, so Diamond, „nicht gerade eine Gegend, in der man sich zum Spaß aufhielt“. Aber hier lag die Peppermint Lounge, ein Club, in dem ein Black-Flag-Konzert stattfand, das die Beastie Boys unbedingt sehen wollten und das zu ihrem Gründungsakt wurde.

Es folgen, wie es sich gehört, weitere wichtige Wegmarken der Band. Eine Tour mit Madonna („Es war der Scheiß, über den wir uns lustig machten, aber plötzlich waren wir mittendrin“), ein Auftritt mit Run DMC und Aerosmith, bei dem Yauch sich – sehr betrunken – an klassischen Rockposen versucht, („Der unglaubliche Ausdruck in den Gesichtern der Aerosmith-Typen war unbezahlbar“), das Zerwürfnis mit Rick Rubin und Russell Simmons, die Gründung einer Modemarke (X-Large), der Aufbau erst eines Studios (G-Son), dann eines Labels (Grand Royal) und natürlich die Berichte darüber, wie es zu den Alben der Band kam. „Hot Sauce Committee“ wurde 2011 zum Vermächtnis wegen Yauchs Krebstod: „Wäre das nicht passiert, würden wir wohl jetzt gerade, (...) im Studio stehen und das nächste Album aufnehmen“, schreibt Horovitz.

So ist wenigstens dieses mal klug-reflektierte, mal komische, überraschend gut erzählte Buch, entstanden, das zu den besten Popbüchern der jüngeren Zeit gehört. Ganz am Schluss gibt es noch eine Illustration, die Yauch mit einem Kontrabass auf dem Rücken inmitten einer schneebedeckten Bergwelt zeigt. Was er da wohl wieder macht?

Michael Diamond/Adam Horovitz: Beastie Boys. Übersetzt von Bernd Gockel, Torsten Groß, Julian Haefs, Kristof Hahn, Urban Hofstetter, Stephan Kleiner. Heyne Hardcore, München 2018. 572 Seiten, 40 €

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