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Bauausstellung: Wo Kohle war, soll Kohle fließen

Nach 10 Jahren endet die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land: eine Bilanz der Projekte.

Man muss sich das wohl so vorstellen. Das diesseitige Ufer des Altdöberner Sees, ein Streifen Gras, kippt steil zum Wasser hinab und führt in einem verstörend rechten Winkel um eine Halbinsel. Der See war einmal ein Braunkohletagebau. Das gegenüberliegende Ufer sieht aus wie verletzt. Zwischen den Grasnarben leuchtet helle Erde mit rostfarbenen Flecken. Künftig sollen dort Hügel, Wiesen und Wege beschwingte Kurven formen und Landzungen wie die Finger einer riesigen Hand über das Wasser winken. Eine Bucht mit Badestrand wird sich öffnen. Und gleich kommt ein kleines Fährschiff und bringt uns hinüber.

Prägnante Bilder zu entwerfen, das zählt zu den Aufgaben der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land (IBA). Zehn Jahre hatte sie Zeit dafür, nun beginnen am 24. April die Festlichkeiten zu ihrem Finale, nahe ihres Büros in Großräschen auf halber Strecke zwischen Berlin und Dresden, wiederum mit einem Bild. Der Regisseur Jürg Montalta will dort zwischen den Kratern und Kippen eines weiteren stillgelegten Tagebaus mit 300 Sängern, Musikern und Tänzern eine „See-Symphonie“ aufführen. Neue Bilder sind das für eine Region, die mit ihrem alten Image kämpft: für die Brandenburger Lausitz, in der seit 150 Jahren der Braunkohle wegen Land abgetragen wird, wo der Strukturbruch Tausende von Bergarbeitern und Ingenieuren den Arbeitsplatz gekostet hat und noch heute Äcker und Dörfer den Baggern weichen. Bilder sollte die IBA entwerfen, um neue Perspektiven für Land und Leute zu schaffen.

Ein großes Unterfangen, das sich lokale Stadtplaner da Mitte der 90er Jahre ausgedacht hatten, ohne Auftrag der Landesregierung, die noch überzeugt werden musste. Sein „Lebenswerk“ nennt es Rolf Kuhn, der 63-jährige Geschäftsführer und Motor der IBA, ehemals Direktor der Stiftung Bauhaus in Dessau. 1999 übernahm er den Staffelstab der Bauausstellungen von Karl Ganser, dem Chef der IBA Emscher Park, die die erkalteten Zechen und Hochöfen zwischen Ruhr und Lippe umgestaltet hatte.

Anders als ihre Vorgängerin und anders als die IBA Stadtumbau in Sachsen-Anhalt, die nun ebenfalls endet, thematisiert die Brandenburger IBA die Landschaft. In der dünn besiedelten Region mit über 20 gefluteten Tagebaulöchern hat sie tatsächlich prägnante Bilder inszenieren können. Zu den stärksten zählt das Besucherbergwerk „F60“ bei Lichterfeld, eine 500 Meter lange ausgediente Förderbrücke aus Stahl, und zwei schwimmende Häuser auf Betonpontons – eine Tauchschule und ein Ferienhaus. Aus der künstlichen Seenlandschaft soll eine unverwechselbare Urlaubsregion werden. Weder eine liebliche Landschaft, die alte Schäden leugnet, wollte Rolf Kuhn gestalten noch den Dingen den üblichen Lauf lassen. Der endete bisher oft in schnurgeradem Bergbaufolgeforst. Stattdessen wollte Kuhn den Charakter der Region akzentuieren. „Neben der Landschaft und der schwimmenden Architektur war das Thema Industriekultur ganz wichtig für uns“, sagt er. „Mit ihr leisten wir nicht nur etwas für die wirtschaftliche Zukunft der Region, sondern auch für das Selbstverständnis und den Stolz der Menschen hier.“

Auch „Die Hand“ am Altdöberner See weist in eine touristische Zukunft. Hier allerdings ist noch alles Plan. Der amerikanische Architekt Charles Jencks wird die Erdskulptur 2012 in Angriff nehmen, vielleicht auch etwas später. Zeit ist relativ in der Lausitz. Was den Anrainern des Sees lang vorkommt, ist für die IBA ein Augenblick. Die 30 Projekte, die sie in Arbeit hat, spannen den ganz großen Bogen: von den Spuren der Eiszeit im Geopark „Muskauer Faltenbogen“ bis zur Naturlandschaft Wanninchen bei Luckau, wo die Heinz-Sielmann-Stiftung Tiere und Pflanzen einen aufgegebenen Tagebau wild besiedeln lässt. „Wir profitieren von den anderen IBA-Projekten. Eine Attraktion allein reicht nicht aus, damit Besucher hierher kommen“, sagt Walter Stelte vom Vorstand der Stiftung. Ähnlich äußern sich viele Leiter der Gesellschaften und Vereine, die die Projekte kostendeckend weiterführen müssen. Bisher hat sie die IBA beraten und vernetzt. Ihr Ende sehen manche daher mit Sorge.

Noch sind von den 30 Projekten zehn unvollendet. Die IBA griff lokale Vorschläge und Vorhaben auf, warb für sie bei Behörden und Geldgebern und musste sie immer wieder variieren. So etwas dauert, erst recht bei binationalen Projekten wie der Restaurierung der kriegszerstörten Hauptkirche auf der polnischen Seite der Grenzstadt Guben/Gubin. „Neben der inhaltlichen Arbeit geht es uns hier darum, Strukturen überhaupt erst einmal aufzubauen“, sagt der zuständige IBA-Mitarbeiter David Lang, also Sprachbarrieren und Ressentiments zu überwinden, Ehrenamt in Hauptamt zu verwandeln und gemeinsame Rechtsformen zu finden. Jetzt endlich beginnt der Wiederaufbau des Kirchturms, das Startzeichen für eine deutsch-polnische Begegnungsstätte. Am 8. Mai, 65 Jahre nach Ende des Zeiten Weltkrieges, geben hier Organisten aus beiden Ländern ein 24-stündiges Konzert.

Wer nach 2010 all die Vorhaben vollenden wird, steht noch nicht fest. Das Land Brandenburg wird sich zurückhalten. Es hat die IBA bereits mit rund 14 Millionen Euro gefördert. Aus den öffentlichen Mitteln für die Braunkohlesanierung und aus Brüssel sind viele weitere Millionen in einzelne Projekte geflossen. Aber es gibt die „Energieregion Lausitz“, einen Verbund der IBA-Gesellschafter, der Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und der Stadt Cottbus. Er soll die Region entwickeln und vermarkten – und voraussichtlich auch die offenen Pläne der IBA. Der „Zweckverband Lausitzer Seenland Brandenburg“ wiederum, mit Vertretern aus Gemeinden und Städten, wird sie wohl in die Praxis umsetzen. Und schließlich wünscht sich manch einer ein Forum, in dem sich die Geschäftsführer und Vereinsvorstände der bereits abgeschlossenen IBA-Projekte weiterhin treffen.

Wie wichtig solch ein Netz ist, hat sich im Ruhrgebiet gezeigt. Dort fehlten nach 1999 bald Ansprechpartner, die noch alle IBA-Projekte kannten. Doch seit drei Jahren gibt es an der Technischen Universität Dortmund das Forschungsvorhaben „IBA revisited“, das die Hinterlassenschaften der Bauausstellung evaluiert und 2008 einen Bestandskatalog veröffentlicht hat. Die IBA Emscher Park, so lautet eine Annahme der Forscher, habe Transparenz und Qualitätsmaßstäbe in die Stadtplanung gebracht – und die Akteure aus den konkurrierenden Kommunen an einen Tisch. Ohne die IBA wäre die Kulturhauptstadt „Ruhr.2010“ nicht möglich gewesen.

In der Lausitz spricht niemand von einer Kulturhauptstadt. Doch das Erbe der Brandenburger IBA wird dem ihrer großen Schwester von der Ruhr ähneln – und das könnte wichtiger sein als eine Überlebensgarantie für jedes einzelne Projekt. Längst hat die IBA Fürst-Pückler-Land die Region neu definiert. Nicht nur auf Landkarten, sondern vor allem in Gedanken: Über das Bild von der Lausitz als kaputtem Niemandsland hat sich das von einem Landstrich geschoben, in dem Menschen offensichtlich etwas bewegen wollen.

IBA-Finale: Start am 24.4., 15.30 Uhr, Seeterrassen in Großräschen, www.iba-see.de

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