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Handwerk und Intellekt. Barbara Helwing.

© Staatliche Museen zu Berlin/VAM, Olaf M. Teßmer

Barbara Helwing im Porträt: Der Kosmos Westasiens ist ihre Welt

Barbara Helwing ist die neue Direktorin des Vorderasiatischen Museums. Ihr wichtigstes Anliegen ist die Vermittlungsarbeit. Eine Begegnung.

Ausgerechnet eine Kopie ist ihr Lieblingsobjekt im reich bestückten Vorderasiatischen Museum (VAM) der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Gipsabformung der Uruk-Vase hat es der neuen Direktorin Barbara Helwing angetan.

Auf der knapp einen Meter hohen Vase, die 1933 bei der deutschen Grabung in Uruk entdeckt wurde, wird in fünf Stufen der mesopotamische Kosmos dargestellt, vom lebensspendenden Wasser an der Basis über die Landwirtschaft und den Handel bis in den Götterhimmel im fünften Segment am oberen Rand.

Die Vase wurde bereits im Altertum zerstört und damals schon mit Kupferdraht repariert. Auch das zeigt die Kopie des Originals, das in Bagdad steht, 2003 geraubt wurde und in Fragmenten wieder aufgetaucht ist.

Der ganze Kosmos Westasiens lässt sich von 4000 vor Christus bis heute an diesem Objekt ablesen und erklären. Die Vermittlung dieser Welt ist Helwing ein großes Anliegen.

Schon bevor die Archäologin 2019 von der Universität Sydney an das Museum wechselte, war ihr klar, dass Vermittlung einer der Schlüssel der Museumsarbeit sein muss. „Wissen und Bildung sind ein erster Schritt zum Schutz der Kulturgüter.“

Sie will Brücken zwischen den Kulturen bauen

„Wir müssen den Dialog suchen, aufklären, aber bei uns bleiben und dabei immer auf den wissenschaftlichen Hintergrund achten“, sagt sie am Telefon.

In Berlin leben viele Menschen aus der Region Westasiens, zu denen müsse man Brücken bauen, wie etwa mit dem Multaka-Projekt, das vom Museum für Islamische Kunst initiiert wurde und an dem das VAM beteiligt ist. „Ich möchte die Guides einmal einladen, dass sie für alle Museumsbesucher eine Vitrine gestalten.“

Helwing hat Respekt vor der großen Forschungsgeschichte des Museums mit seinen großen Bauforschern und Archäologen. „Theodor Wiegand und Walter Andrae wollten vor 100 Jahren ein lebendiges Museum. Damals hatten die meisten Berliner keine Ahnung vom Klima und der Umwelt Westasiens; eine Dattelpalme hatten sie auch noch nie gesehen. Genau das wollte Andrae als Direktor vermitteln – das Konzept war visionär“, sagt sie.

Dazu setzte Andrae Fotos und Aquarelle ein und ließ die Künstlerin Elisabeth Andrae Wandbilder für das Museum malen.

Die Suche nach dem Authentischen prägt ihr Leben

Für die Neukonzeption des Südflügels werde man das Erbe von Andrae bewahren und fortsetzen und auch einiges ändern. Aber durch den Umzug des Museums für Islamische Kunst gewinnt das Vorderasiatische Museum mehr Raum, um größere Themenkomplexe darzustellen.

Fest steht, dass die großen Architekturen dort bleiben, wo sie sind. Denn das Museum muss auf die Statik achten. „Eine Basaltfigur von Tell Halaf hat Gewicht, die kann nicht überall stehen“, sagt Helwing. Daher muss nun vor dem Umzug genau geplant werden, was wo steht und wie man das attraktiv gestaltet. „Die Besucher sollen physisch fühlen, wie solche Bauwerke wirken. Wir wollen das Authentische mehr fördern, das Gefühl für die Dimensionen wiederherstellen.“

Die Erfahrung des Authentischen zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Ursprünglich wollte Helwing Landwirtschaft studieren. „Ich arbeite gerne mit den Händen – aber als es dann um die ,Optimierung in der Tierproduktion’ ging, wusste ich, dass das nichts für mich ist“, erzählt sie.

Zur Archäologie fand sie über die Musik. „Der Bassist unserer Band war Grabungstechniker und suchte noch zwei Grabungsassistenten. Als ich dann an der Weinstraße auf einer Ausgrabung einer römischen Villa mitarbeiten durfte, wusste ich, was ich wollte. Handwerk und intellektuelle Fragestellungen gehen in der Archäologie Hand in Hand.“

Helwing ist ein Teamplayer

In Heidelberg studierte Helwing dann Vorderasiatische Archäologie und nahm an einer Grabung am Euphrat in der Türkei teil. Prägend waren nach der Promotion die drei Jahre an der privaten internationalen Bilkent Universität in Ankara.

Danach arbeitete sie an der Eurasienabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und konzentrierte sich auf den Iran, wo sie die Außenstelle Teheran leitete. Ihre erste Ausstellung war 2011 „Teheran 50“ zum 50. Geburtstag der Außenstelle im Museum für Islamische Kunst; 2017 kuratierte sie die Ausstellung „Iran. Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste“ in der Kunsthalle Bonn.

Erfahrungen aus Feldarbeit, Lehre, Administration und Ausstellungswesen bilden eine gute Kombination für die neuen Aufgaben am Vorderasiatischen Museum. Helwing ist ein Teamplayer. Sie möchte nicht nur den neuen Sonderausstellungsraum in der James-Simon-Galerie nutzen, sondern dort Projekte am liebsten mit anderen Sammlungen im Haus realisieren.

Helwig ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Museen wichtig

Dort will sie in Zukunft mit weiteren Projekten neue Formen der Vermittlung erproben. „Präsenz ist dann auch bei der Schließung des Museums in Berlin angezeigt, da wir zu vielen Dingen Stellung beziehen müssen".

Die Zeit der coronabedingten Schließung hat Helwing genutzt, in Vorbereitung auf die Neugestaltung des Museums die Nachkriegsrestaurierungen an den schreitenden Löwen der Prozessionsstraße nachzuarbeiten. Als Studioausstellung eröffnet voraussichtlich im November „Vom Fragment zum Monument“.

Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Hintergrund der Restaurierung des Ischtartores. Wichtig ist Barbara Helwing die Zusammenarbeit mit den Museen im Irak, in Syrien und der Türkei.

„Dabei geht es auch um praktische Hilfe. Wir müssen die Kontakte wiederherstellen, zuhören und fragen, wie wir wo zusammenarbeiten und unterstützen können“, sagt sie. Damit schlösse sie an die große Tradition des Vorderasiatischen Museums an. Vom 3. Oktober an wird man das Museum wieder besuchen können.

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